2023_Wirtschaftsbuch

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VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. REZESSION Inﬂationsziel in weiter Ferne (01.06.2023) 1. Der Preis der quantitativen Lockerung (16.11.2022) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der IWF hebt die Prognosen (02.02.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zinsschock und Bankenkrise (23.03.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Arbeitsmarkt bleibt robust (30.03.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Weltwirtschaftswachstum schwächt sich ab (20.04.2023) . . . . . . . . . . . . 6. Droht den USA der Zahlungsausfall? (25.05.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. 8. Globales Finanzvermögen gesunken (06.07.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Arbeitskosten als Herausforderung für die Eurozone (13.07.2023) . . . . . . . . . . 10. Die Weltwirtschaft erholt sich nur langsam (10.08.2023) . . . . . . . . . . . . . . . 11. Eine globale Rezession ist unwahrscheinlich (14.09.2023) . . . . . . . . . . . . . . 12. Annus horribilis für das globale Geldvermögen (05.10.2023) . . . . . . . . . . . . . 13. Griechenland ist zurück (19.10.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Deutschlands Wirtschaft wird weiter schrumpfen (02.11.2023) . . . . . . . . . . . . II. KRIEG 1. Krisengewinner USA (19.01.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Krisenstimmung am Zauberberg (26.01.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Update zur Ernährungssicherheit (04.05.2023) 4. Rekordhoch der weltweiten Militärausgaben (11.05.2023) . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufrüstung von Atomwaffenarsenalen weltweit (15.06.2023) . . . . . . . . . . . . . 6. Eine Neuauﬂage der Vereinten Nationen ist nötig (21.09.2023) . . . . . . . . . . . . 7. Warnung vor dem Ende der Globalisierung (12.10.2023) . . . . . . . . . . . . . . . 9 11 15 19 23 27 31 35 39 45 49 53 57 61 65 69 71 75 77 83 89 93 97 III. NEUE CHANCEN 101 1. Aus für digitale Zentralbankwährungen? (01.12.2022) . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Weltbank neu (15.12.2022) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Wird 2023 das Jahr des Wasserstoffs? (12.01.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Künstliche Intelligenz in der Wirtschaft (06.02.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Hat Bretton Woods ausgedient? (16.02.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6. Die Grüne Revolution 2.0 (02.03.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 7. Gesetze für Big Tech: Europa als Vorreiter (16.03.2023) . . . . . . . . . . . . . . . 127 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 8. Handelspolitik neu (13.04.2023) 9. Rechtsrahmen für den digitalen Euro (29.06.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 10. Global Health (17.08.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 11. BRICS plus (31.08.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 12. 13. Die Ökonomie der Frauen (09.11.2023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Indien auf dem Vormarsch? (07.09.2023) IV. QUELLENANGABEN 159

VORWORT ZEITENWENDE REZESSION, KRIEG & NEUE CHANCEN Viele Anzeichen stehen auf Sturm. Seit 2015 galt eine Nullzinspolitik und das „Koste-es-was- es-wolle-Prinzip“. Die Corona-Pandemie zu Beginn 2020 führt zu einer Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit. Die Weltwirtschaft schrumpft 2020 um 4,4 %, dies stellt den schlimmsten Rückgang seit der Großen Depression der 1930er Jahre dar. Der Staat hilft. Die Rohstoffpreise beginnen zu steigen, der Ukraine-Krieg lässt die Energiepreise explodieren. Die Inﬂation steigt international von ca. 2% auf 8%, Staatsschulden und Geldmenge steigen in nie gekannte Höhen. Die Bekämpfung durch die Notenbanken setzt ein und die Zinsen steigen ab 2021 rasch. Dies verschärft die Inﬂation erst recht. Viele müssen erkennen, dass es Zinsen überhaupt gibt und dass diese ein Kostenfaktor sind. Seit Oktober 2023 gibt es einen weiteren Krieg in Nahost. Und dennoch zeigen die wichtigsten Aktienmärkte zwar hohe Volatilität, aber auch Erholungen. Über ein und drei Jahre entwickelte sich der DAX mit 10% und 21%, der S&P 500 mit 14% und 28%, der NIKKEI 225 mit 19% und 27%, Indiens SENSEX mit 7% und 49%. China hingegen ist stärker getroffen. Der Shanghai Composite zeigt -1% und -9%, der Hang Seng in Hongkong hingegen -3% und -33% in diesen Zeiträumen. Inmitten all dieser Herausforderungen können sich aber auch neue Chancen ergeben. Techno- logische Fortschritte werden die Efﬁzienz steigern, der Klimawandel wird neue Geschäftsfelder erschließen und Branchen wie erneuerbare Energien und deren nachhaltige Technologien werden weiterhin Wachstumspotenzial entwickeln. Am 07.07.2008 titelte das damals noch existierende österreichische „Wirtschaftsblatt“ einen Artikel folgenderweise: „Wir stehen vor einem der fabelhaftesten Kursanstiege, die es je gegeben hat“. Ceterum censeo TradeCom Fonds esse emendum! Mag. Reinhard Wallmann Ivana Marina Mag. Margot Steinöcker (Geschäftsführer) (Geschäftsführerin) (Public Relations) Marktschellenberg, 22. November 2023 7

1. Der Preis der quantitativen Lockerung (16.11.2022) Das letzte Jahrzehnt wurde geldpolitisch geprägt durch die Ankäufe enormer Mengen an Anleihen durch die Notenbanken. Bedingt durch die Nullzinspolitik, fand nach Meinung der Expert:innen eine Quasi-Fiskalpolitik statt, da die Währungshüter ihre Käufe langfristiger Staatsanleihen durch Ausgabe kurzfristiger Reserven an die Geschäftsbanken ﬁnanzierten. Die Anleihen warfen zwar kaum Ertrag ab, die Finanzierungskosten waren jedoch so niedrig (0,5% in der Eurozone), dass die Notenbanken trotzdem Gewinne einfuhren.1 Seit Kurzem hat sich das Blatt gewendet. Die Inﬂation erreichte in vielen Ländern bereits zweistellige Raten und die Notenbanken hatten kaum eine andere Wahl, als ihre Leitzinsen zu erhöhen. Der Anstieg der Finanzierungskosten bedeutet nun, dass die kurzfristigen Zinsraten den langfristigen Ertrag der Anleihen übersteigen. Den Notenbanken droht eine hohe Rechnung für die massive quantitative Lockerung präsentiert zu werden. Tatsächlich ging die US-Notenbank Fed bisher am transparentesten mit der Situation um. In einer Erklärung heißt es, dass der Wert der Anleihebestände bis Ende des Jahres bis zu 670 Milliarden USD fallen wird. Im Jahr 2021 hatte die Fed noch 100 Milliarden USD Gewinn an das US-Finanzministerium überwiesen. Quelle: https://www.faz.net (15.11.2022) 11

Quelle: https://www.handelsblatt.com (15.11.2022) In der Eurozone kündigte die belgische Notenbank an, dass sie zum ersten Mal seit 70 Jahren mit einem Verlust rechne. Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot erklärte ebenfalls, dass er wegen der Zinswende in den Jahren 2023 bis 2026 Verluste in Höhe von 9 Milliarden Euro erwarte.2 In Deutschland warnte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst in einer Rede vor „Belas- tungen“. Er verwies jedoch gleichzeitig auf bereits gebildete Rückstellungen, die als Puffer für mögliche Verluste zur Verfügung stünden. Seit der Euro-Krise weitete die Deutsche Bundesbank ihre Risikovorsorge auf mehr als 20 Milliarden Euro aus. In den Jahren 2020 und 2021 wies sie deshalb keinen Gewinn aus. Nagel forderte jedoch auch den baldigen Abbau des fast 5.000 Milliarden Euro schweren EZB-Wertpapierbergs. Er gab zu bedenken, dass auslaufende Anleihen sowohl im Rahmen des PEPP3 als auch des APP4 immer noch ersetzt werden. Es werden bereits Stimmen von Ökonom:innen laut, die nach einheitlichen Standards der Rechnungslegung im Euroraum verlangen. Während die Deutsche Bundesbank, wie erwähnt, in ihrer Bilanzierung einen sehr vorsichtigen Ansatz verfolgt und in den vergangenen Jahren bereits hohe Wagnisrückstellungen gebildet hat, haben andere Notenbanken das nicht getan. 12

Für alle Euro-Länder gelten jedoch die gleichen EU-Schuldenregeln. Quelle: https://www.handelsblatt.com (15.11.2022) Die 19 nationalen Notenbanken der Eurozone und die Europäische Zentralbank halten gemeinsam Staatsanleihen im Umfang von mehr als 4.200 Milliarden Euro, die über Geschäfts- bankeneinlagen im Umfang von rund 4.300 Milliarden Euro (fast 40% des BIP des Euroraums) ﬁnanziert werden. Während die EZB ihren Einlagenzins auf 1,5% angehoben hat und erwartet wird, dass dieser im Jahr 2023 3% erreichen wird, liegt der Durchschnittsertrag des Anleiheport- folios der EZB unter 0,5%. Es ist also ein Jahresverlust von 2,5% zu erwarten. Geht man von der durchschnittlichen Restlaufzeit von 6 Jahren der vom Eurosystem gehaltenen Anleihen aus, ergibt sich ein Gesamtverlust von etwa 15% der ausstehenden Gesamtsumme, also in etwa 600 Milliarden Euro. Das entspricht fast der Größe des Programms NextGeneration- EU5 (750 Milliarden Euro) – dem größten je in Europa ﬁnanzierten Konjunkturpaket, das darauf zielt, die Erholung von Pandemie und den ökologischen und digitalen Wandel zu beschleunigen. Das größte Problem der Notenbank wie der EZB ist der drohende Imageverlust. Bereits lange vor der globalen Zinswende warnte der frühere Chefvolkswirt der EZB, Peter Praet, dass Verluste der Notenbank ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen würden. 13

Der Einwand ist nicht unberechtigt. Die Notenbanken ignorierten die impliziten ﬁskalischen Risi- ken der von ihnen betriebenen quantitativen Lockerung weitgehend. Die EZB veröffentlichte viele qualitativ hochwertige Forschungsarbeiten, die die Vorteile ihres Ankaufprogramms in Bezug auf die höhere Inﬂation und die Beschäftigung aufzeigten, jedoch ohne die potenziellen ﬁskalischen Konsequenzen zu erwähnen. Expert:innen befürchten zudem, dass die Verluste die Unabhängig- keiten der Notenbanken gefährden könnten. Denn wenn die Geldpolitik keine Erfolge aufweisen kann, steigt der politische Druck und es könnten Forderungen aufkommen, vom Inﬂationsziel von etwa 2% abzuweichen. 14

2. Der IWF hebt die Prognosen (02.02.2023) In seinem im Oktober 2022 veröffentlichten „World Economic Outlook“6 (WEO), der Wirtschafts- prognose des Internationalen Währungsfonds, sagten die Expert:innen ein Wirtschaftswachstum von 2,7% im Jahr 2023 voraus. Im Ende Jänner veröffentlichten Update des WEO besserte sich diese Prognose um 0,2%. Das globale Wirtschaftswachstum soll demnach von geschätzten 3,4% im Jahr 2022 auf nur 2,9% im Jahr 2023 fallen. Im Jahr 2024 soll es dann auf 3,1% steigen. Insgesamt liegen die Prognosen jedoch immer noch unter dem historischen (2000 – 2019) Mittel von 3,8%. Quelle: https://www.imf.org (31.01.2023) Ursachen für das verlangsamte Wirtschaftswachstum sind nach wie vor die Erhöhung der Leitzinsen um die Inﬂation zu bekämpfen und der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Im Jahr 2022 dämpfte zudem die rapide Ausbreitung des COVID-19-Virus in China das Wachstum, doch die vor Kurzem erfolgte Öffnung Chinas trägt zu einer Erholung bei, die schneller als erwartet stattﬁnden wird. Ebenso wird erwartet, dass die globale Inﬂation von 8,8% im Oktober 2022 auf 6,6% im Jahr 2023 und auf 4,3% in 2024 sinken wird, das liegt immer noch über dem Level vor der Pandemie (3,5%). „Trotz dieses Gegenwinds war das reale Wirtschaftswachstum im dritten Quartal in zahlreichen Volkswirtschaften überraschend stark, darunter in den USA, im Euroraum sowie in wichtigen 15

Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Gründe dafür sind in vielen Fällen inländischer Natur: starker privater Konsum und Investment inmitten eines angespannten Arbeitsmarktes und starke ﬁskalische Unterstützung“, so der IWF in seinem WEO-Update. Auf der Angebotsseite verringerten die Beseitigung von Engpässen und der Rückgang der Transportkosten den Druck auf die Input-Preise und ermöglichten einen Aufschwung in zuvor eingeschränkten Sektoren, wie etwa der Automobilindustrie. Quelle: https://www.imf.org (31.01.2023) Dies erklärt auch die vielen Aufwärtsrevisionen der BIP-Prognosen. Die US-Wirtschaft könnte laut IWF 2023 um 1,4% (vorher: 1,0%) wachsen, im Jahr 2024 um 1,0% (vorher 1,2%). Im Euroraum hebt sich die Prognose für 2023 ebenfalls um 0,2% auf 0,7% und liegt für 2024 bei 1,6%. Deutschlands BIP soll um 0,1% (2023) und 1,4% (2024) wachsen, die Prognosen berücksichtigen jedoch noch nicht das schwache vierte Quartal 2022. Frankreichs Wirtschaft wird 2023 0,7% und 2024 um 1,6% steigen. Italiens BIP-Prognosen wurden auf 0,6% für 2023 und 2,4% für 2024 geändert. Im Jahr 2023 wird das Wirtschaftswachstum nach Einschätzung des IWF in Großbritannien um 0,6% schrumpfen, nachdem im Oktober noch von einem Wachstum von 0,3% die Rede war. Im Jahr 2024 soll es wieder um 0,9% wachsen. Chinas BIP soll 2023 um 5,2% (vorher: 4,4%) und 2024 um 4,5% (vorher: 4,5%) wachsen. Die Energiemärkte stellten sich schneller als erwartet auf den Schock ein, der durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine entstanden war. Im vierten Quartal 2022 könnte dieser Aufschwung in den meisten großen Volkswirtschaften nachgelassen haben. Obwohl die multiplen globalen Krisen einen Abwärtstrend nahelegen, haben sich die Risiken seit Oktober 2022 etwas abgeﬂacht. In vielen Volkswirtschaften sind erhöhte Nachfrage und sinkende Inﬂation möglich. 16

Dennoch könnte ein schwerwiegender Verlauf der Corona-Infektionswelle in China die Er- holung bremsen. Der Krieg in der Ukraine könnte eskalieren und die schlechteren globalen Finanzierungsbedingungen könnten die Verschuldungsproblematik verschärfen. Zudem könnten die Finanzmärkte in Reaktion auf negative Inﬂationsnachrichten plötzliche Verluste erleiden, und eine weitere geopolitische Fragmentierung könnte den wirtschaftlichen Fortschritt behindern. In den meisten Volkswirtschaften wird es aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten vor- rangig sein, die Inﬂation einzudämmen. Der IWF empﬁehlt den Einsatz von makroprudenziellen Instrumenten, um die Beeinträchtigung von restriktiven monetären Bedingungen und geringem Wachstum auf die Finanz- und Schuldenstabilität abzuschwächen und die Rahmenbedingungen für die Umschuldung zu stärken. Zudem würde eine Beschleunigung der COVID-19-Impfungen in China die Erholung sichern, auch in globaler Hinsicht. Steuerliche Unterstützung sollte auf diejenigen ausgerichtet werden, die am stärksten von erhöhten Lebensmittel- und Energiepreisen betroffen sind, breit angelegte steuerliche Entlas- tungsmaßnahmen sollten hingegen zurückgezogen werden. Eine stärkere multilaterale Zusammenarbeit ist unerlässlich, um die Gewinne daraus zu bewah- ren und den Klimawandel durch die Begrenzung von Emissionen und die Erhöhung grüner In- vestitionen einzudämmen. 17

3. Zinsschock und Bankenkrise (23.03.2023) Quelle: pixabay Die Situation ist angespannt. Nachdem die Silicon Valley Bank kollabierte und die Bankenkrise mit dem Notverkauf der Credit Suisse nach Europa kam, verloren auch zahlreiche andere Banktitel massiv an Wert. Die Zinswende der Notenbanken betrifft aber auch andere Bereiche: Immobilienmarkt, Tech-Branche und Staatshaushalte geraten in Not. US-Ökonom Kenneth Rogoff sieht die Weltwirtschaft in die nächste Krise steuern. Seiner Meinung nach grenzt es an ein Wunder, dass es aufgrund der steigenden Zinsen und Inﬂation nicht schon eine „systemische Finanzkrise“ gegeben hat.7 Die EZB erhöhte in der vergangenen Woche ein weiteres Mal ihre Leitzinsen um 50 Basispunkte auf 3,5%, in einem durch große Nervosität über die Zukunft von Banken gekennzeichneten Umfeld. Für diesen Schritt erhielt sie aber auch viel Lob. Jede andere Reaktion der EZB hätte wohl als Zeichen von Panik gewertet werden können und die Unsicherheit vergrößert. 19

Quelle: kraeftig-an (21.03.2023) https://www.diepresse.com/6264098/ezb-hebt-leitzins-trotz-boersenturbulenzen-erneut- Die Kurseinbrüche an den Börsen, die steil steigenden Kreditausfallversicherungen für Bankkredite – all das erweckt Erinnerungen an die Finanzkrise 2008, als die Pleite der US- amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers das globale Finanzsystem an den Rand des Kollapses brachte. Wieder gibt es Notfallsitzungen von Notenbankern und Finanzministern, die Notprogramme entwerfen. Auch der Hintergrund, vor dem sich die jetzige Vertrauenskrise abspielt, ist schwierig. Ukrai- nekrieg, Energieschock und Deglobalisierung strapazieren die Weltwirtschaft. Die vergangene Finanzkrise, die Euro-Krise, die Pandemie und der gegenwärtige Krieg haben die Schuldenstän- de der Staaten auf ungekannte Höhen getrieben. Seit 2008 haben sich die Staatsschulden der USA auf mehr als 31.000 Milliarden USD verfünffacht. In der Eurozone hat sie sich auf 12.500 Milliarden Euro fast verdoppelt. Die Reserven für staatliche Rettungsprogramme sind verbraucht. Quelle: https://www.gold.de/staatsverschuldung-usa/ (21.03.2023) 20

Positiv ist jedoch, dass die Lage der Banken, vor allem der großen, insgesamt besser ist, besonders was die Ausstattung mit Eigenkapital betrifft. Die Notenbanken jedoch haben sich durch die Dauerrettungsaktionen sehr verausgabt. Die Bilanzsumme der Fed stieg durch den Ankauf von Staatsanleihen auf 8.300 Milliarden USD und bei der EZB auf 7.800 Milliarden Euro. Beide Notenbanken wollen die Bilanzen nicht weiter anschwellen lassen, was die Krise an den Anleihemärkten ebenfalls verschärfen könnte.8 Quelle: Handelsblattonline (21.03.2023) Quelle: Handelsblattonline (21.03.2023) Die Finanzstabilität sicher zu stellen und gleichzeitig wegen der hohen Inﬂation die Zinsen erhöhen zu müssen, ist ein Drahtseilakt für die Notenbanken. Durch das Ende der Nullzinspolitik 21

4. Der Arbeitsmarkt bleibt robust (30.03.2023) Quelle: pixabay Trotz der schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bleibt der Arbeitsmarkt im Jahr 2023 robust. Die EU-weite Erwerbslosigkeit liegt im Jänner 2023 bei 6,1%. In Deutschland stagniert die Arbeitslosenquote seit August 2022 bei 5,5%. Im EU-Vergleich war die Arbeitslosenquote im Januar 2023 nur in Tschechien (2,5%) und Polen (2,8%) niedriger. In der EU waren im Jänner 2023 rund 13,2 Millionen Menschen ohne Arbeit. In der Eurozone lag die Arbeitslosenquote bei 6,7%, also weiterhin über dem Niveau der EU gesamt. Der größte Mangel an Arbeitsplätzen herrschte in Spanien (13%) und Griechenland (11,6%). 23

Quelle: https://www.destatis.de (28.03.2023) Für die meisten Erwerbstätigen ist ein guter Job eine wichtige Voraussetzung für Zufriedenheit und Lebensqualität. Die Corona-Pandemie führte vielen Beschäftigten die Belastungen des eigenen Jobs vor Augen, insbesondere in systemrelevanten Berufen. Als direkte Folge davon sehen sich gemäß einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup9 viele nach neuen Arbeitsstellen um. Die Wechselbereitschaft hat bei Arbeitnehmer:innen in Deutschland weiter zugenommen. Nur noch 55% der Befragten stimmen der Aussage zu, dass sie beabsichtigen, in einem Jahr noch beim selben Arbeitgeber beschäftigt zu sein. 2019 lag dieser Anteil noch bei fast 75%. In den ersten beiden Corona-Jahren ab 2020 sank er dann auf rund 60%. Seit vielen Jahren schon berichtet Gallup von schindendem Mitarbeiter-Engagement und Unzufriedenheit mit Führungskräften. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht ebenfalls Nachwir- kungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt. Die Digitalisierung habe einen Schub bekommen, zugleich wurden aber auch die Gräben zwischen Unternehmen, die in dem Bereich sehr weit sind, und anderen, die hinterherhinken, vertieft. Dank dem robusten Arbeitsmarkt stehen die Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu ﬁnden, gut. 24

Mehr als 80% der von Gallup befragten Arbeitnehmer:innen sind der Meinung, dass aktuell eine „gute Zeit“ sei, um Arbeit zu ﬁnden. Dies ist der höchste Wert seit 2009. Im ersten Jahr der Corona-Krise schätzten nur etwas mehr als ein Drittel ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt so hoch ein. Und tatsächlich zeigt sich der deutsche Arbeitsmarkt trotz Pandemie und den Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in den vergangenen Jahren äußerst robust. Zudem gibt es kaum Branchen, die nicht Personal und Fachkräfte suchen und deshalb stärker um Mitar- beiter:innen werden müssen. Dies gilt sowohl für zukünftige als auch für bereits beschäftigte Mitarbeiter:innen. „Unternehmen, die jetzt nicht gezielt gegensteuern, werden ins Schleudern geraten und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gefährden“ heißt es von einem Gallup- Sprecher.10 Nachholbedarf gibt es der Umfrage zufolge vor allem bei den Führungskräften. Fast 40% der Beschäftigten sind der Umfrage zufolge gar nicht oder nur mittelmäßig zufrieden mit ihren Vorge- setzten. Es gibt also erhebliches Potential, Beschäftigte so zu führen, dass sie ihren Job besser machen können und motiviert zur Arbeit gehen. Nur ein Drittel der Arbeitnehmer:innen fühlt sich dahingehend unterstützt. Demnach wirkt sich hohe Zufriedenheit mit der Führungskraft positiv auf die emotionale Bindung zum Unternehmen aus. Jeder dritte Beschäftigte beklagt, aufgrund von Arbeitsstress innerlich ausgebrannt zu sein. Bei Menschen mit hoher emotionaler Bindung sind es nur 13%, bei den inneren Kündigern 60%. 25

5. Das Weltwirtschaftswachstum schwächt sich ab (20.04.2023) Quelle: pixabay Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlichte am 11. April 2023 seinen „World Economic Outlook“11 für April und prognostiziert nur eine holprige Erholung der globalen Wirtschaftstätigkeit. Gemäß der neuen Konjunkturprognose wird sich das globale Wachstum im Jahr 2023 sogar auf 2,8% verlangsamen, nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2022. Noch im Januar war der Internationale Währungsfonds von einem weltweiten Wachstum von 2,9% ausgegangen. Besonders in den Industrienationen wachse die Wirtschaft nur langsam. Die Prognose für diese Länder sieht ein Wachstum der Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 von 1,3% vor. In den Schwellen- und Entwicklungsländern sieht es mit dem prognostizierten Wachstum von 3,9% hingegen besser aus. 27

Quelle: WorldEconomicOutlookApril2023,IWF (18.04.2023) Für Deutschland hat der IWF seine Vorhersage um 0,2% im Vergleich zum Januar leicht nach unten korrigiert. Er rechnet jetzt mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1%. Im Jahr 2024 soll das Wachstum dann wieder 1,1% betragen. Führende deutsche Wirtschaftsinstitute wie das ifo-Institut in München, das IfW in Kiel und das IWH in Halle, hatten Anfang April noch eine etwas optimistischere Prognose für 2023 abgegeben.12 Sie rechnen mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,3%. Dadurch werde immer klarer, dass es zu der befürchteten Rezession in Deutschland nicht kommen wird. IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas hingegen schreibt: „Wir treten in eine riskante Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum im historischen Vergleich niedrig bleibt und die ﬁnanziellen Risiken zugenommen haben, ohne dass die Inﬂation bereits eine entscheidende Wende genommen hat."13. Weltweit sei es gemäß der IWF-Prognose eine Gratwanderung, zum einen Preisstabilität wiederherzustellen und zum anderen ein Abrutschen in eine Rezession zu vermeiden. Von einem weltweiten Abschwung geht der IWF jedoch momentan nicht aus. Besorgniserregend sei gemäß der Prognose die Inﬂation, die weniger deutlich zurückgehe als zunächst vorhergesagt. Für 2023 rechnet der Währungsfonds weltweit mit einer Teuerungsrate von im Schnitt 7%. Das sind 0,4% mehr als noch im Januar prognostiziert. Im kommenden Jahr 2024 soll die Inﬂationsrate dann bei 4,9% liegen, ein Plus von 0,6%. Für die Industrienationen rechnet der IWF für 2023 mit einer Inﬂationsrate von 4,7%. Von der Zielmarke von 2%, die Notenbanken für ökonomisch gesund halten, sind diese Werte noch weit entfernt. Der Kampf gegen die Inﬂation sei deutlich zäher als noch vor einigen Monaten erwartet, so die Expert:innen. Zu einer Rückkehr der Inﬂation zum Ziel ist in den meisten Fällen vor 2025 nicht zu rechnen. Die strenge Geldpolitik der Zentralbanken trage zwar bereits Früchte, birgt aber auch Gefahren. Die Notenbanken dürften im Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise nun nicht nachlassen. 28

Die Zinsanhebungen bergen allerdings auch die Gefahr, die Wirtschaft auszubremsen. „Unter der Oberﬂäche bauen sich Turbulenzen auf, und die Situation ist recht fragil, wie uns die jüngste Instabilität im Bankensektor vor Augen geführt hat", so der IWF. Aus diesem Grund beschreibt der Währungsfonds ein „plausibles Alternativszenario“. Sollte der Stress im Finanzsektor anhalten, könne das globale Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 auf 2,5% fallen. Das wäre das schwächste Wachstum seit dem globalen Aufschwung 2001 (mit Ausnahme des Beginns der Corona-Pandemie und der Finanzkrise 2009). In diesem Szenario würde das Wachstum in den Industrienationen bei unter 1% liegen. Positiv wird vom IWF gewertet, dass sich die Wirtschaft langsam von den Folgen des russischen Einmarsches in der Ukraine erholt und die Folgen der Pandemie überwindet. Konkret sind damit die „kriegsbedingten Verwerfungen“ auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt und das Ende der Zero-Covid-Strategie in China gemeint. Unter den positiven Signalen, die der IWF derzeit sieht, sind zum Beispiel die fehlenden An- haltspunkte für eine unkontrollierte Lohn-Preis-Spirale. Auch könnten die Turbulenzen Im Ban- kensektor dazu beitragen die Nachfrage auszubremsen und damit einen ähnlichen Effekt wie Zinserhöhungen haben. Das könnte die Inﬂationsraten senken. 29

6. Droht den USA der Zahlungsausfall? (25.05.2023) Quelle: pixabay Findet die Regierung der USA nicht in absehbarer Zukunft eine Einigung im Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze, kommt es am 1. Juni zum Zahlungsausfall in den USA. Dem Kongress bleibt nur noch wenig Zeit um die Schuldenobergrenze der USA anzuheben. Ökonom:innen warnen davor, dass der Streit um das Schuldenlimit bereits jetzt die Wirtschaft belastet. Seit dem 2. Weltkrieg hat der US-amerikanische Kongress die Schuldenobergrenze der USA 102-Mal erfolgreich angehoben. Im Jahr 2011 wendeten die USA den Staatsbankrott nur 72 Stunden vor dem „Datum X“ ab. Dies hatte den Verlust der höchsten Bonitätsstufe der Ratin- gagentur S&P zufolge und das Steigen der Kreditkosten für die USA über Jahre. Der Einbruch des Aktienmarktes brachte 2.400 Milliarden USD Verlust an Haushaltsvermögen. Kredite sind heute teurer als damals, der Bankensektor ist ohnehin angegriffen. Das bedeutet ein größeres Risiko in der aktuellen instabilen Situation, denn 2011 erholte sich die Wirtschaft in einem Aufwärtstrend von der globalen Finanzkrise. 31

US-Schuldenobergrenze Quelle: Handelsblatt Derzeit liegt die Schuldenobergrenze bei 31.400 Milliarden USD. Sie kann nur vom Kongress angehoben werden, was auch regelmäßig notwendig ist, da die US-Regierung mehr ausgibt, als sie einnimmt. Dies sind in diesem Haushaltsjahr fast 1.400 Milliarden USD. In zehn Jahren dürfte das Deﬁzit fast doppelt so groß sein. Demokraten und Republikaner konnten sich aufgrund verschiedener Interessenlagen bislang nicht auf eine Anhebung einigen. US-Präsident Biden und die Demokraten verfügen über keine eigene Mehrheit und sind daher auf eine Einigung mit den politischen Gegnern angewiesen. Über Jahrzehnte war die Abstimmung über die Schuldenobergrenze Routine, doch wegen der knappen Mehrheiten wird die Kreditaufnahme als Instrument für politische Zugeständnisse genutzt. Ist das Finanzministerium nicht mehr in der Lage, zusätzliches Geld zu leihen, geraten die USA mit ausstehenden Krediten in Verzug und somit droht ein Zahlungsausfall. Expert:innen warnen, dass die US-Wirtschaft in dem Fall acht Millionen Arbeitsplätze verlieren und in eine Rezession rutschen würde. Bereits ein kurzer Zahlungsausfall würde großen Schaden anrichten.14 Das aktuelle Gezerre zwischen Demokraten und Republikanern um die Schuldenobergrenze ist historisch beispiellos. Präsident Biden wirft den Republikanern vor, zu extreme Positionen zu vertreten. Er sei bereit, wie von den Republikanern gefordert, bei den staatlichen Ausgaben zu kürzen. Man müsse aber auch über die staatlichen Einnahmen, konkret über Steuererhö- hungen für Spitzenverdiener, sprechen. Dazu seien die Republikaner jedoch nicht bereit.15 Nach zahlreichen Verhandlungsrunden brachte auch das Treffen des US-Präsidenten und dem 32

Spitzen-Republikaner Kevin McCarthy im Weißen Haus Anfang dieser Woche keine Einigung. Somit rückt der Zahlungsausfall immer näher. US-Finanzministerin Janet Yellen schätzt, dass das „Datum X“, also der Zeitpunkt, an dem ihr Ministerium nicht mehr über genügend Barmittel verfügt, bereits am 1. Juni erreicht sein wird. Die Analyst:innen von Goldman Sachs gehen vom 8. oder 9. Juni aus. Doch bereits vor diesem Datum müsste die US-Regierung Auszahlungen für Veteranen, Militär sowie für die Sozial- oder Gesundheitsversicherung von Millionen Bürger:innen einfrieren, um die Kasse zu schonen. Der Ausfall von ﬁnanzieller Unterstützung an betroffene Personen wird auch von Kleinunterneh- mern gefürchtet, die auf das konstante Konsumverhalten ihrer Kund:innen angewiesen sind. Kombiniert mit Inﬂation und Rezessionsängsten könnte dies der US-Wirtschaft einen schweren Schlag versetzen, so das Wirtschaftsinstitut Oxford Economics.16 Sorgen über einen Zahlungsausfall machen sich die Investor:innen an den globalen Finanz- märkten schon lange. Da es einen Zahlungsausfall noch nie gegeben hat, lassen sich keine genauen Prognosen stellen. Analyst:innen rechnen jedoch mit einem katastrophalen Schlag für die ohnehin schwache Wirtschaft. Die Märkte würden einbrechen und die Wirtschaft in eine Rezession rutschen. US-Staatsanleihen, die lange Zeit als risikofrei galten und an denen das relative Risiko anderer Vermögenswerte gemessen wurden, bergen nun ein Risiko und dies würde einen breiten Domino-Effekt auslösen. Die Finanzierungskosten für den Staat würden steigen, die Bonität der USA würde herabgestuft werden, ebenso wie Unternehmensanleihen. Damit würden sich die Finanzierungskosten für die Unternehmen verteuern. Selbst bei einer rechtzeitigen Einigung der US-Regierung könnten die Folgen der Schuldenkrise für Turbulenzen an den Märkten sorgen. Analyst:innen können sich auch die Entwicklung vorstellen, dass das Finanzministerium im großen Stil neue Anleihen ausgeben muss, um die Bargeldreserven wieder aufzufüllen. Das würde wiederum den Finanzmärkten Liquidität entziehen. Dieser Schritt sei vergleichbar mit einer Leitzinserhöhung von 0,25%. Große Zugeständnisse von Biden an die Republikaner könnten auch mittelfristig Effekte auslö- sen, z.B. Sparmaßnahmen. Können sich US-Präsident Biden und der Kongress nicht einigen, gibt es noch die Möglichkeit einer „discharge petition“ (Entlastungsantrag), der die Behandlung eines Gesetzes erzwingt. Biden müsste McCarthy dazu jedoch umgehen. Die US-Regierung könnte alternativ weiterhin Kredite aufnehmen und argumentieren, dass sie laut US-Verfassung dazu verpﬂichtet ist, ihre Schulden zu begleichen. Dies würde jedoch sofort Beschwerden vor dem Obersten Gerichtshof nach sich ziehen. Immer wieder wird auch die kuriose Variante diskutiert, eine Eine-Billion-Dollar-Platinmünze zu prägen, um damit die Rechnungen zu bezahlen. Finanzministerin Yellen schließt diese Möglich- keit jedoch aus. Sie besteht auf eine Lösung bis zu der „harten Deadline“ am 1. Juni. 33

7. Inﬂationsziel in weiter Ferne (01.06.2023) Quelle: pixabay Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim führte eine Umfrage durch, die Einschätzungen von 181 Finanzmarktexpert:innen zur Inﬂation abbildet und kürzlich veröffentlicht wurde. Die Inﬂation in der Eurozone dürfte demnach noch jahrelang hoch bleiben. In den kommenden Jahren rechnen die Finanzmarktexpert:innen zwar mit einem Rückgang, das Inﬂationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent dürfte aber frühestens ab 2025 erreicht werden. Die neuen Inﬂationserwartungen liegen wegen den gefallenen Energiepreisen und der strafferen Geldpolitik der EZB unter früheren Prognosen. So senkten wegen Ersterem 48% der Befragten, wegen Zweiterem 39% der Expert:innen ihre Prognosen. Für die Jahre 2023 wurde eine Inﬂationsrate von 5,8%, für das Jahr 2024 eine Teuerung von 3,5% und für 2025 eine Rate von 2,5% errechnet. Im Februar 2023 lag die Prognose der Finanzmarktexpert:innen für 2023 noch bei 6%. 35

Die Schätzungen der EZB fallen positiver aus als die der Ökonom:innen. Sie erwartet für 2023 eine Inﬂationsrate von im Schnitt 5,3%. Quelle: (30.05.2023) https://www.agenda-austria.at/tags/ezb-inﬂationsprognosen-steigen-immer-weiter-an/ Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen hat die EZB mit einer Serie von sieben Zinserhöhungen seit Juli 2022 auf die beständig hohe Inﬂation in der Eurozone reagiert. Viele Kritiker:innen sehen die Reaktion als zu spät erfolgt. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt nun bei 3,75%. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohe Teuerungsraten dämp- fen kann. Dieses Instrument der Geldpolitik ist wirksam, bis dahin vergeht jedoch Zeit. 36

Eurozone Inﬂationsrate Quelle: https://tradingeconomics.com/euro-area/inﬂation-cpi (30.05.2023) Im April 2023 lag die Inﬂationsrate in der Eurozone laut Statistikbehörde Eurostat bei 7%. Für Verbraucher:innen ist die hohe Inﬂation ein großes Problem, denn sie zehrt an ihrer Kaufkraft. EZB-Präsidentin Christine Lagarde zeigte sich zuletzt weiterhin entschlossen im Kampf gegen die Inﬂation. In der ZEW-Umfrage gab eine Mehrheit von 70% der befragten Finanzexpert:innen an, dass sie ihre Inﬂationsprognosen seit Februar wegen der Lohnentwicklung erhöht haben. Steigende Löhne führen zu Druck auf die Inﬂation. Auch die grüne Transformation der Wirtschaft wird überwiegend als Inﬂationstreiber betrachtet und veranlasste knapp die Hälfte der Befragten, die Vorhersage anzuheben. Gabriel Felbermayr, Direktor des Institutes für Wirtschaftsforschung, sieht die aktuelle Wirtschafts- und Finanzsituation besonders pessimistisch. Er prognostiziert, dass die EZB ihr Inﬂationsziel von durchschnittlich 2% bald aufgeben wird. Die Finanzmarktstabilität lasse keine härteren Zinsschritte mehr zu. 37

8. Globales Finanzvermögen gesunken (06.07.2023) Quelle: pixabay Um die Entwicklung der Vermögen weltweit geht es im „Global Wealth Report“17 der Boston Consulting Group (BCG), in dem jährlich der globale Reichtum erfasst wird. Gemäß dem Global Wealth Report 2023, erschienen Ende Juni, waren die letzten Jahre für viele Branchen schwierig. Auch die Vermögensverwaltung bildet keine Ausnahme. Die Aussicht auf stetiges Wirtschafts- und Geschäftswachstum wurde immer schwerer vorstellbar. Auf Grundlage der Daten von 150 Vermögensberater-Unternehmen fällt das Fazit der Studie ernüchternd aus: Zum ersten Mal seit 15 Jahren (also seit der Finanzkrise) sind die Finanzver- mögen weltweit 2022 gesunken. Der Abschwung folgte auf ein starkes Jahr 2021, in dem das weltweite Finanzvermögen um mehr als 10% gestiegen war, einer der stärksten Zuwächse seit über einem Jahrzehnt. Im Jahr 2021 machte das globale Finanzvermögen noch 264.000 Milliarden USD aus, 2022 waren es nur noch 255.000 USD, ein Minus von 3,5%. Zum Finanzvermögen zählen Bargeld, Kontoguthaben, Schuldverschreibungen, Aktien und Investmentfonds sowie Pensionen. 39

Nur weil Sachwerte wie Immobilien, Edelmetalle oder andere physische Anlagen 2022 im Wert gestiegen sind, nahm das Gesamtvermögen unter dem Strich trotzdem leicht zu (0,3%). Physische Güter in Form von Immobilien, Kunst, Schmuck, Premium-Antiquitäten, seltenen Weinen etc. setzten ihren Wachstumskurs um 5,5% fort und belaufen sich 2022 auf 261.000 Milliarden USD. Kombiniert man Finanz- als auch Sachwerte, erreichte das absolute globale Gesamtvermögen im Jahr 2022 516.000 Milliarden USD. Die BCG-Studie sieht als Grund für die sinkenden Finanzvermögen vor allem die gestiegenen Zinsen und ein volatiles makroökonomisches Umfeld, bedingt durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. Negative Entwicklungen an den Kapitalmärk- ten hätten 2022 vor allem die Vermögen in der westlichen Welt einbrechen lassen. Während die Finanzvermögen in Nordamerika und Westeuropa sanken, legten sie in Asien und im Nahen Osten sogar leicht zu. 40

USD) und Japan (24.000 Milliarden USD) und vor Frankreich (16.300 Milliarden USD) und Großbritannien (16.200 Milliarden USD). Das Finanzvermögen der Österreicher liegt bei rund 900 Milliarden USD und ist im Jahr 2022 um 3,5% geschrumpft. Die Vermögen sind beispielsweise in Deutschland äußerst ungleich verteilt. Nur eine kleine Elite besitzt den Großteil des Geldes. Gemäß dem Global Wealth Report gibt es nur in den USA und China mehr Menschen, die mehr als 100 Millionen Dollar Finanzvermögen besitzen. Von diesen Superreichen (Ultra High Net Worth Individuals) gibt es in Deutschland 2.900 Personen, diese besitzen 21% es gesamten Finanzvermögens. Die Konzentration des Finanz- vermögens bei den Superreichen ist damit auch im internationalen Vergleich hoch. Auch in Österreich wird ein Drittel der 900 Milliarden USD Finanzvermögen von nur 335 Superreichen gehalten. Das steht im signiﬁkanten Gegensatz zum westeuropäischen Durch- schnitt, wo die Superreichen nur über 17% des Finanzvermögens verfügen, weltweit sind es 13%. Auch auf der anderen Seite des Spektrums unterscheidet sich Österreich deutlich vom Westeuropa-Durchschnitt: Die große Zahl der Österreicher, die weniger als 250.000 Euro besitzen, verfügt ebenso über ein Drittel des Finanzvermögens, in Westeuropa sind es 43%. Die Studienautor:innen erwarten für die kommenden fünf Jahre keine Verschiebung der Vermö- gensverteilung. Quelle: https://www.weekend.at/politik/global-wealth-report-superreiche-oesterreich (04.07.2023) 42

Angelegt haben sowohl Österreicher als auch Deutsche ihr Vermögen zu über 40 % auf Sparkonten oder als Bargeld. Damit liegt man laut BCG-Bericht über 10% höher als im globalen Schnitt. Danach folgen Aktien und Fonds (36%) sowie Versicherungen und Pensionsansprüche (17%). Trotz der Widrigkeiten des Jahres 2022 wird erwartet, dass sich das globale Finanzvermögen im Jahr 2023 um etwa 5% auf 267.000 Milliarden USD erholen wird. Zu den Faktoren, die dazu beitragen werden, gehören voraussichtlich ein sich insgesamt ver- bessernder makroökonomischer Ausblick, die zunehmende Wiedereröffnung Chinas nach dem strengen Covid-bedingten Lockdown und eine anhaltende Erholung der Aktienmärkte (vor allem in den USA, nach dem Einbruch im Jahr 2022), starkes Wachstum im asiatisch-paziﬁschen Raum (insbesondere im Technologie- und Start-up-Sektor) und Wachstum im Nahen Osten. 43

9. Arbeitskosten als Herausforderung für die Eurozone (13.07.2023) Quelle: pixabay In den letzten zwei Jahren stiegen die Kosten für importiere Energie und damit auch die Preise der Unternehmen. Dies führte zu steigenden Unternehmensgewinnen, die für fast die Hälfte des Anstiegs der europäischen Inﬂation verantwortlich sind. Die Arbeitnehmer plädieren nun auf Lohnerhöhungen, um die verlorene Kaufkraft auszuglei- chen. Dies bedeutet für die Unternehmen möglicherweise, einen geringeren Gewinnanteil zu akzeptieren, wenn die Inﬂation auf dem richtigen Weg bleiben soll. Das Ziel der Europäischen Zentralbank ist im Jahr 2025 immerhin die 2% - Marke.18 In der Eurozone erreichte die Inﬂation im Oktober 2022 mit 10,6% ihren Höhepunkt, da die Im- portkosten nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine in die Höhe schnellten und die Unter- nehmen mehr als diesen direkten Kostenanstieg an die Verbraucher weitergaben. 45

Inﬂationsrate Eurozone Quelle: https://tradingeconomics.com/euro-area/inﬂation-cpi (11.07.2023) Mittlerweile ist die Inﬂation in der Eurozone auf 5,5% gesunken (Juni 2023), aber die Kerninﬂation – ein zuverlässigeres Maß für den zugrunde liegenden Preisdruck – hat sich als anhaltender erwiesen. Dadurch bleibt der Druck auf die EZB bestehen, die jüngsten Zinserhöhungen zu veranlassen, obwohl die Eurozone zu Beginn des Jahres in eine Rezession gerutscht ist. Bis zum 21. Juni 2023 erhöhte die Europäische Zentralbank nach langen Jahren der Nullzinspolitik den Leitzins schrittweise auf 4%. Kerninﬂation Eurozone Quelle: https://tradingeconomics.com/euro-area/core-inﬂation-rate (11.07.2023) Die bisher höhere Inﬂation ist hauptsächlich auf höhere Gewinne und Importpreise zurückzufüh- ren, wobei die Gewinne 45% der Preissteigerungen seit Beginn des Jahres 2022 ausmachen. Das geht aus dem aktuellen Paper des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor, das die 46

gemessene Inﬂation aufschlüsselt und durch den „Consumption deﬂator“ in Arbeitskosten, Importkosten, Steuerung und Gewinne aufteilt. Die Importkosten machten etwa 40% der Inﬂation aus, währende die Arbeitskosten 25% ausmachten. Die Steuern wirkten leicht deﬂationär.19 Europas Unternehmen waren also bisher stärker von dem negativen Kostenschock abgeschirmt als die Arbeitnehmer. Die Gewinne (inﬂationsbereinigt) lagen im ersten Quartal des Jahres 2023 etwa 1% über dem Niveau vor der Pandemie. Unterdessen lag das Arbeitnehmerentgelt (ebenfalls angepasst) rund 2% unter dem Trend. Dies bedeutet gemäß dem oben genannten Paper jedoch nicht, dass die Rentabilität gestiegen ist. Quelle: IWF Frühere Phasen steigender Energiepreise deuten darauf hin, dass der Beitrag der Arbeitskosten zur Inﬂation künftig zunehmen dürfte. In den letzten Quartalen kam es bereits zu einer Zu- nahme. Gleichzeitig ist der Beitrag der Importpreise seit seinem Höhepunkt Mitte 2022 gesunken. Gemäß der Statistikbehörde Eurostat stiegen die Arbeitskosten in der Eurozone im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr um nominal 5% (Vorquartal: 5,6%). Dahinter stand ein Anstieg der Lohnkosten um 4,6% (zuvor: 5%) und ein Anstieg der Lohnnebenkosten um 6,2% (7,4%). In der gesamten EU erhöhten sich die Arbeitskosten um 5,3% (5,7%). In Deutschland stiegen die Arbeitskosten um 5,8% (6,2%), in Frankreich um 4,1% (5,1%) und in Italien um 2,1% (5,1%). Die höchsten Anstiege der Lohnkosten wurden in Bulgarien (15,7%), Rumänien (14,3%) und Litauen (13,2%) verzeichnet. Vier weitere EU-Mitgliedstaaten verzeichneten einen Anstieg um mehr als 10%, nämlich Estland (12%), Kroatien (11,3%), Polen (10,7%) und Belgien (10,1%). 47

Laut IWF macht die Verzögerung bei den Lohnsteigerungen durchaus Sinn: Die Löhne reagieren langsamer auf Schocks als die Preise. Dies liegt unter anderem daran, dass Lohnverhandlungen nur selten stattﬁnden. Doch nachdem ihre Löhne im Jahr 2022 real um etwa 5% gesunken sind, drängen die Arbeitnehmer nun auf Lohnerhöhungen. Die entscheidenden Fragen sind, wie schnell die Löhne steigen werden und ob die Unternehmen höhere Lohnkosten auffangen können, ohne die Preise weiter zu erhöhen. Unter der Annahme, dass die Nominallöhne in den nächsten zwei Jahren um etwa 4,5% steigen werden (etwas unter der Wachstumsrate des ersten Quartals 2023) und die Arbeitsproduktivität in den nächsten Jahren weitgehend unverändert bleibt, hätte sich die Gewinnquote der Unter- nehmen erhöht. Die Inﬂation muss wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückfallen, damit die Inﬂation bis Mitte 2025 das Ziel der EZB erreicht. Die Berechnungen des IWF gehen davon aus, dass die Rohstoffpreise weiter sinken werden, wie im World Economic Outlook vom April20 prognostiziert. Sollten die Löhne stärker steigen – beispielsweise um die 5,5%, die erforderlich sind, um die Reallöhne bis Ende 2024 wieder auf das Niveau vor der Pandemie zu bringen –, müss- te die Gewinnquote auf den niedrigsten Stand seit Mitte der 1990er Jahre sinken (sofern es keine unerwartete Produktivitätssteigerung gibt), damit die Inﬂation wieder ihren Zielwert erreicht. Im aktuellen Bericht des IWF über die Wirtschaft des Euroraums21 wurde festgestellt, dass die makroökonomischen Maßnahmen restriktiv bleiben müssen, um die Erwartungen zu festigen und die Nachfrage gemäßigt aufrechtzuerhalten. Das würde die Unternehmen dazu verleiten, einen Rückgang der Gewinnquote zu akzeptieren, und die Reallöhne könnten sich in mäßigem Tempo erholen. 48

10. Die Weltwirtschaft erholt sich nur langsam (10.08.2023) Quelle: pixabay Die weltweite Erholung des Wirtschaftswachstums wird noch länger auf sich warten lassen. Von geschätzten 3,5% im Jahr 2022 soll es auf 3% in den Jahren 2023 und 2024 sinken. Die Prognose des Internationalen Währungsfonds vom Juli 202322 ist zwar leicht höher als noch im April 2023 prognostiziert (von 2,9% auf 2,8%), bleibt aber im historischen Vergleich schwach. Von 2000 bis 2019 (bis zur COVID19-Pandemie), lag der jährliche Schnitt bei deutlich höheren 3,8%. Die Erhöhung der Leitzinsen der Zentralbanken zur Bekämpfung der Inﬂation belastet weiter- hin die Wirtschaftstätigkeit. So wird etwa erwartet, dass die weltweite Gesamtinﬂation von 8,7% im Jahr 2022 auf 6,8% im Jahr 2023 und auf 5,2% im Jahr 2024 sinkt. Die Kerninﬂation wird voraussichtlich noch langsamer zurückgehen. 49

Quelle: imf.org Die IWF Ökonom:innen zeigen sich vorsichtig optimistisch. Nach der Pandemie und dem Angriff Russlands auf die Ukraine erhole sich die Weltwirtschaft nach und nach und Zeichen des Fortschritts sind unbestreitbar. Die Arbeitsmärkte seien überraschend stark und der steile Abfall der Preise für Energie und Lebensmittel habe den Inﬂationsdruck schneller gemindert als erwartet. Besonders in der Eurozone, die nach dem Erdgas-Preisschub infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine noch immer „taumelt“, sei das Abkühlen der Wirtschaft noch immer deutlich zu spüren. So soll die deutsche Wirtschaft noch 2023 um 0,3% schrumpfen, was Deutschland zum einzigen G7-Staat macht, der seine Prognose vom Frühjahr nicht verbesserte. Im April hatte der IWF für 2023 noch einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,1% vorausgesagt. Die Bundesrepublik leidet gemäß IWF unter der gegenwärtigen Schwäche der Industrie. Diese ist eine Folge der hohen Energiepreise und des relativ schwachen Welthandels. Für das Jahr 2024 rechnet der Währungsfonds in Deutschland hingegen mit einer etwas stärkeren Erholung als zuvor. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde voraussichtlich um 1,3% statt der zuvor erwarteten 1,1% steigen. Im Jahr 2022 war die deutsche Wirtschaft noch um 1,8% gewachsen. In der Eurozone schraubte der IWF vor allem dank des aktuellen Reise-Booms die diesjährige Prognose unter anderem für Spanien hoch, nämlich von 1,5% Wachstum auf 2,5%. In Italien sollen es 1,1% statt der zuvor erwarteten 0,7% werden. Sorgenkind für Italiens Wirtschaft ist aber schon länger die rückläuﬁge Industrieproduktion. Tourismus, Exporte und der leicht wachsende Dienstleistungssektor reichen eventuell nicht aus, um das von der italienischen Regierung für dieses Jahr angekündigte Wachstum von 1,2% zu erreichen. 50

Für die US-Wirtschaft sieht der IWF gemischte Signale. Die kürzliche Lösung der Pattsituation bei der US-Schuldenobergrenze und die energischen Maßnahmen der Behörden zu Beginn des Jahres zur Eindämmung der Turbulenzen im US-amerikanischen und Schweizer Bankwesen verringerten die unmittelbaren Risiken von Turbulenzen im Finanzsektor der USA. Dies milderte die negativen Risiken für die Prognosen. Diese wurden von 1,6% auf 1,8% angehoben. Auslö- ser dafür sind unter anderem ein Zuwachs der Realeinkommen und eine Erholung der Autokäufe. Mit dem Andauern der Ausgabefreudigkeit der US-Bürger rechnet der IWF jedoch nicht. Das in der Pandemie zusätzlich angesparte Geld sei weitgehend verbraucht und von der US-Notenbank werden weitere Zinserhöhungen erwartet, so die Expert:innen. Zusätzlich könnte die Inﬂation auch nach wie vor hoch bleiben oder sogar steigen, wenn weitere Schocks eintreten, darunter solche wie eine Verschärfung des Krieges in der Ukraine oder extreme wetterbedingte Ereignisse, die eine restriktivere Geldpolitik zur Folge hätten. Chinas Erholung könnte sich verlangsamen, teilweise aufgrund ungelöster Probleme im Immobi- liensektor, mit negativen grenzüberschreitenden Spillover-Effekten. Quelle: imf.org Für Russland hebt der IWF die Wachstumsprognose deutlich an – trotz der Sanktionen, die im Zuge des Angriffs auf die Ukraine verhängt worden waren. Dem Internationalen Währungsfonds zufolge ist dieses Jahr mit einem Wachstum von 1,5% zu rechnen. Das sind 0,8% mehr als noch im April prognostiziert. Von allen großen Volkswirtschaften wird nur Brasilien eine noch stärkere Veränderung nach oben für 2023 als für Russland vorausgesagt. Im kommenden Jahr 2024 dürfte die russische Wirtschaft dann um 1,3% zulegen. Gründe für den die gute Prognose für Russland sind die jüngsten Daten aus dem Einzelhandel, der Baubranche sowie zur Industrieproduktion. Die hohen staatlichen Ausgaben wirken sich ebenfalls positiv aus. Allerdings sieht es langfristig nicht zu gut für Russland aus. Die Auto- mobilproduktion und die Fertigung pharmazeutischer Produkte sind in Russland eingebrochen. 51

Gleichzeitig ist der Rüstungssektor stark gewachsen. Die Produktion von Waffen wird in das BIP einberechnet, trägt jedoch nichts zum Wohlstand der russischen Bevölkerung bei. Zudem verliert Russland zahlreiche Fachkräfte, wie zum Beispiel aus der IT-Branche. In den meisten Volkswirtschaften besteht die Priorität weiterhin darin, eine nachhaltige Inﬂa- tionsbekämpfung zu erreichen und gleichzeitig die Finanzstabilität zu gewährleisten. Daher sollten sich die Zentralbanken gemäß IWF weiterhin auf die Wiederherstellung der Preisstabilität konzentrieren und die Finanzaufsicht und Risikoüberwachung stärken. Sollten Marktspannungen eintreten, sollten die Länder umgehend Liquidität bereitstellen. Weiters sollten auch „Haushaltspuffer“ aufgebaut werden, wobei die Zusammensetzung der Haushalts- anpassung eine gezielte Unterstützung der Schwächsten gewährleisten sollte. Verbesserungen auf der Angebotsseite der Wirtschaft würden eine Haushaltskonsolidierung und einen sanfteren Rückgang der Inﬂation auf das Zielniveau erleichtern. 52

11. Eine globale Rezession ist unwahrscheinlich (14.09.2023) Quelle: pixabay Seit Anfang des Jahres 2023 sagen Prognosen für die Weltwirtschaft voraus, dass eine Erholung noch lange auf sich warten lassen wird und das Wirtschaftswachstum in unmittelbarer Zukunft eher sinken wird. Siehe dazu auch unseren Artikel „Die Weltwirtschaft erholt sich nur langsam“ vom 10.08.2023, der sich auf den World Economic Outlook des IWF vom Juli 202323 stützt. Noch düsterer waren die Prognosen von Ökonom:innen Anfang des Jahres 2023, als viele eine globale Rezession für wahrscheinlich hielten. Gemäß dem Wirtschaftswissenschafter Koichi Hamada, ehemaliger Professor an der Yale Universität, berücksichtigen die auf statistischen Analysen beruhenden Prognosen die Auswir- kungen und das „Erbe“ der COVID-19-Pandemie nicht ausreichend. In New York und London sowie in ganz Europa boomen die Aktienmärkte. In Tokio erreichte der Nikkei im Juni ein 33-Jahres-Hoch. Hamada zufolge erscheint ein globale Rezession mittlerweile höchst unwahrscheinlich, obwohl einige Volkswirtschaften Probleme haben. 53

In seinem Artikel „Why a Global Recession Is Unlikely“24 vom 6. September 2023 zählt Hamada mögliche Ursachen für einen wirtschaftlichen Abschwung auf. Zum Beispiel können übermäßi- ges Verbraucher- und Anlegervertrauen oder sehr hohe Staatsausgaben die Gesamtnachfrage so weit ankurbeln, dass die Inﬂation zu steigen beginnt und politische Entscheidungsträger, insbesondere Zentralbanken, gezwungen sind einzugreifen, um eine überhitzte Wirtschaft abzukühlen. Werden dabei etwa die Zinsen und damit die Kreditkosten zu stark erhöht, kann die Wirtschaft in eine Rezession stürzen. Auch auf der Angebotsseite kann es zu einer Rezession kommen. Wenn ein bestimmter Sektor oder die Wirtschaft insgesamt boomt, steigern die Zulieferer ihre Produktion. Wenn jedoch die Nachfrage zu sinken beginnt, kann sich das Angebot erhöhen, was das Wachstum behindert oder sogar zum Stillstand bringt. Keiner dieser Faktoren spiele jedoch heute eine Rolle. Sowohl die US-Notenbank als auch die Europäische Zentralbank verfolgen eine Straffung der Geldpolitik, die Nachfrage ist jedoch nicht eingebrochen und das Angebot häuft sich nicht. Stattdessen werden die jüngsten Rezessions- prognosen größtenteils aus statistischen Analysen früherer Daten abgeleitet. Analysen, die die Auswirkungen und das Erbe der COVID-19-Pandemie nicht angemessen berücksichtigen, so Hamada. Quelle: project-syndicate.org 54

Die Abbildung zeigt eine Darstellung der Auswirkungen der Pandemie auf eine Volkswirtschaft. Unter normalen Umständen bestimmt der Schnittpunkt (P) von Gesamtangebot (SS) und Gesamtnachfrage (DD) den Gleichgewichtspreis (AP) und das gehandelte Volumen (OA), die als Gesamtproduktion interpretiert werden können. Die Nachfrageinﬂation wird durch die Rechtsbewegung der Nachfragekurve ausgelöst, und die Kostendruckinﬂation wird durch die Aufwärtsbewegung der Angebotskurve verursacht. Aber die Bewegung der SS- und DD-Kurven erfasst nicht ein zentrales Merkmal der Pandemie: Der Handel war sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite äußerst wünschens- wert, aber nicht sicher. So wollten beispielsweise Leute auswärts essen gehen und die Restaurants wollten sie auch bedienen. Aufgrund der Pandemierisiken und -beschränkungen war dies jedoch nicht möglich (zumindest nicht im üblichen Ausmaß). Selbiges gilt für unzählige Aktivitäten und Branchen, von Reisen bis hin zu persönlichen Treffen mit Geschäftspartnern und Dienstleistern. Somit führte die Pandemie nicht zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, sondern eher zu einer Diskrepanz, die Käufer und Verkäufer dazu zwang, zusätzliche Kosten zu tragen. Diese gingen vom Tragen von Masken bis hin zum Weiterrücken von Esstischen etc. Diese Barrieren sind in der Abbildung durch den vertikalen Abstand zwischen den Kurven dargestellt. Sie führten dazu, dass die tatsächliche Produktion nicht mehr nur durch den Schnitt- punkt zwischen den DD- und SS-Kurven bestimmt wurde. Auch die Größe der Handelshürden spielte eine Rolle. Je höher die Barrieren, umso größer der Abstand zwischen der DD- und der SS-Kurve und umso größer der Produktionsrückgang. Dieser Produktionsrückgang löste starke politische Reaktionen aus. In den USA legte die Regierung von Präsident Donald Trump ein massives Konjunkturpaket auf, das von seinem Nachfolger Präsident Joe Biden ergänzt wurde, um die Nachfrage anzukurbeln, also die Nach- fragekurve nach rechts zu verschieben. Die Handelshürden waren immer noch vorhanden, aber die angepasste Position der Nachfragekurve (D*D*) führte dazu, dass sie die Produktion nicht mehr weit unter das normale Niveau bzw. das Niveau vor der Pandemie drückten. Tatsächlich kehrte die US-Produktion dank der sogenannten „Bidenomics“ in etwa zu ihrem ur- sprünglichen Gleichgewichtspunkt zurück. 55

United States Nonfarm Labour Productivity Quelle: tradingeconomics.com/united-states/productivity (12.09.2023) Mit der Aufhebung der Pandemiebeschränkungen wurde der durch Handelshürden entstan- dene „Keil“ beseitigt. Aber die Nachfragekurve blieb in ihrer angepassten (D*D*)-Position. Die Angebots- und Nachfragekurven kreuzten sich somit an einem höheren Gleichgewichtspunkt (Q), was mehr Produktion und – entscheidend – höhere Preisniveaus impliziert. Die straffe Geldpolitik der Fed zielte darauf ab, diesen Effekten entgegenzuwirken, indem sie die Nachfra- gekurve näher an ihre ursprüngliche Position (DD) drückte. Die geldpolitische Straffung der Fed erhöhte also das Risiko einer Wachstumsverlangsamung oder sogar einer Rezession in den USA. Die jüngsten Wirtschaftsindikatoren, nicht zuletzt starke Beschäftigungszahlen, deuten jedoch darauf hin, dass es die Möglichkeit einer sanften Landung25 gibt. Hamada hält sowohl die nachfragesteigernde Politik der Biden-Regierung als auch die inﬂations- dämpfenden Interventionen der Fed für völlig angemessen. Durch die Stärkung des US-Dollars stimulieren höhere US-Zinsen die Exporte anderer Volkswirt- schaften. Dies mache die Möglichkeit einer globalen Rezession, die so viele vorhergesagt haben, noch unwahrscheinlicher. 56

12. Annus horribilis für das globale Geldvermögen (05.10.2023) Quelle: pixabay.com In der 14. Ausgabe des „Global Wealth Report“ der Allianz26, in dem die Vermögens- und Schuldensituation der Haushalte in fast 60 Ländern unter die Lupe genommen wird27, wird dem Jahr 2022 kein gutes Zeugnis ausgestellt. Nachdem das globale Geldvermögen bis 2021 drei Jahre in Folge zweistellig gewachsen war, brachte das Jahr 2022 die erwartete Zäsur. Der Post-Corona-Aufschwung wurde durch den Angriffskrieg Russlands abgewürgt, brachte eine hohe Inﬂation und setzte somit Wirtschaft und Märkte unter Druck. Die Vermögenspreise ﬁelen. Das Ergebnis ist somit ein kräftiger Rückgang des globalen Geldvermögens der privaten Haushalte um -2,7%. Dies ist der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise 2008. Die Wachstumsraten der drei großen Anlageklassen unterscheiden sich bei globaler Betrach- tung deutlich. Während Wertpapiere (-7,3%) und Versicherungen/Pensionen (-4,6%) starke Rückgänge verzeichneten, zeigten Bankanlagen mit einem Zuwachs von 6% ein robustes Wachstum. Insgesamt gingen Finanzanlagen im Wert von 6.600 Milliarden Euro verloren, das gesamte Geldvermögen belief sich Ende 2022 auf 233.000 Milliarden Euro. Am stärksten war der Rückgang in Nordamerika (-6,2%), gefolgt von Westeuropa (-4,8%). Asien hingegen 57

verzeichnete (mit Ausnahme Japans) noch relativ starke Wachstumsraten. Auch in China wuchs das Geldvermögen mit 6,9% stark. Verglichen mit dem Vorjahr (13,3%) und dem langfristigen Durchschnitt der letzten 20 Jahre (15,9%) war dies jedoch eine enttäuschende Entwicklung, die den wiederholten Lockdowns geschuldet ist. Globales Geldvermögen 2022 in Billionen Euro und jährliche Veränderung in % Quelle: Global Wealth Report 2023, allianz.com Trotz der Verluste lag das weltweite Geldvermögen der privaten Haushalte Ende 2022 nominal immer noch um fast 19% über dem Stand von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Inﬂationsbereinigt reduziert sich dieser Zuwachs jedoch auf 6,6% in drei Jahren, d.h. zwei Drittel des (nominalen) Wachstums ﬁelen der Inﬂation zum Opfer. Während die meisten Regionen zumindest ein gewisses reales Wachstum bewahren konnten, ist die Situation in Westeuropa anders: Alle nominalen Zuwächse wurden ausradiert, das reale Geldvermögen sank gegenüber dem Jahr 2019 um -2,6%. „Jahrelang haben sich die Sparer:innen über die Nullzinsen beschwert“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. „Doch der wahre Feind der Sparer:innen ist die Inﬂation. Und das nicht erst seit dem Inﬂationsschub nach Covid-19. In Österreich zum Beispiel hat sich das nominale Vermögen pro Kopf in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht. Inﬂationsbereinigt liegt der Zuwachs nur noch bei weniger beeindruckenden 36%. Dies unterstreicht die Notwendigkeit intelligenten Sparens und größerer ﬁnanzieller Kompetenz. Aber die Inﬂation ist ein schwer zu besiegendes Biest. Ohne Anreize und Subventionen für langfristiges Sparen werden es die meisten Sparer:innen schwer haben.“28 Im Jahr 2023 dürfte das globale Finanzvermögen wieder ansteigen. Dafür spricht vor allem die (bisher) positive Entwicklung an den Aktienmärkten. Insgesamt wird ein Anstieg des weltweiten Geldvermögens um rund 6% erwartet, auch unter Berücksichtigung einer weiteren „Normalisie- rung“ des Sparverhaltens. Dennoch spricht Kathrin Stoffel, Mitautorin des Berichts, davon, dass in der neuen geopolitischen und wirtschaftlichen Landschaft mehr Marktschwankungen zu erwarten seien. „Normale“ Jahre könnten eher die Ausnahme werden. Von einer gleichmäßigen Verteilung der gewaltigen Summe von 233.000 Milliarden Euro 58

globalem Finanzvermögen kann jedoch weiterhin keine Rede sein. Die reichsten 10% (in den 57 untersuchten Ländern waren das etwa 560 Millionen Menschen) besitzen nach Allianz- Berechnungen zusammen 85% des gesamten Netto-Geldvermögens. Im Schnitt waren es bei rund 270.000 Euro. Das höchste Pro-Kopf-Vermögen ﬁndet sich wie in den Vorjahren in den USA, gefolgt von der Schweiz und Dänemark. Quelle: https://www.businesswire.com/news/home/20230926717017/de/ (03.10.2023) Auf der Passivseite der privaten Haushaltsbilanzen war die Zinswende deutlich zu spüren. Nachdem die globale Privatverschuldung 2021 noch um 7,8% gestiegen war, schwächte sich das Wachstum im vergangenen Jahr deutlich auf 5,7% ab. Der stärkste Rückgang war in China zu verzeichnen: Das Schuldenwachstum von 5,4% 2022 war das niedrigste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnungen. Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte weltweit Ende 2022 auf 55.800 Milliarden Euro. Da sich der Abstand zwischen Schulden- und Wirtschaftswachstum auf 3,9% vergrößert hat, ist 59

die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) um mehr als 2% auf 66,1% gesunken. Damit liegt die globale Schuldenquote der privaten Haushalte wieder ungefähr auf dem gleichen Niveau wie zu Beginn des Jahrtausends, was bemerkenswert stabil ist. Allerdings haben sich die Verhältnisse auf der Weltschuldenkarte stark verändert. In erster Linie ist die Entwicklung in den Industrieländern durch Stabilität gekennzeichnet. In den meisten Schwellenländern hingegen sind die Schuldenquoten in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. An der Spitze der Liste steht China, wo sich die Quote auf gut 61% mehr als verdreifacht hat. Zuwachs der privaten Schulden nach Region/Land in % Quelle: Global Wealth Report 2023, allianz.com Das Jahr 2022 war also ein sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Wendepunkt. Ob es auch einen Wendepunkt für die Finanzanlagen markierte, wird sich erst im Nachhinein zeigen. Besonders desillusionierend erweist sich die Analyse der nationalen Vermögensverteilung. Ver- besserungen gab es nur in wenigen Ländern und vor allem in solchen mit früher (und noch heute) sehr ungleicher Verteilung, wie Südafrika und der Türkei. Im Gegensatz dazu hat sich die Ver- mögensverteilung in vielen großen Schwellenländern (darunter Brasilien, Mexico und Russland, aber auch Indien und China) weiter verschlechtert. In den meisten Fällen war dies auf ein enor- mes Vermögenswachstum an der Spitze zurückzuführen. Noch besorgniserregender ist jedoch die Entwicklung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Die hohe Ungleichheit gilt seit Jahren als eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, zumal die nächsten Jahre deutlich schwierigere Bedingungen versprechen. 60

13. Griechenland ist zurück (19.10.2023) Quelle: pixabay.com Vom Sorgenkind zum Wachstumsmotor: Die Wirtschaft in Griechenland legte im Jahr 2022 um 5,9% zu. Das ist mehr als drei Mal so viel wie in Deutschland. Im Jahr 2021 wuchs die griechische Wirtschaft sogar um 8,4%. Für 2023 erwartet die EU-Kommission ebenfalls ein doppelt so starkes Wachstum wie im EU-Durchschnitt (Griechenland 2,4%, Eurozone 1,1%), für 2024 zumindest ein leicht höheres. Die Ratingagentur DBRS stufte den einstigen Krisenfall Griechenland Anfang September wieder auf Investmentgrade-Status hinauf. Nun hoffen die Griechen darauf, dass große Ratingagenturen wie S&P, Moody➫s oder Fitch es ihr gleichtut. Mit der Rückkehr zu Investment Grade können die Griechen das schwierigste Kapitle ihrer jüngeren Geschichte hinter sich lassen und das Land wieder für institutionelle Investoren öffnen. 61

Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Chatzidakis ist mit der Entwicklung zufrieden. Angesichts des beachtlichen Comebacks ist dies auch gerechtfertigt. Griechenland stand während der Schuldenkrise in den 2010er-Jahren mehrfach kurz vor dem Staatsbankrott. Mit Hilfskrediten von fast 289 Milliarden Euro bewahrten die Euro-Partner und der Internationale Währungsfonds das Land damals vor der Pleite. Im Gegenzug musste Athen ein drakonisches Sparprogramm durchziehen. Das trieb das Land in die tiefste und längste Rezession der Nachkriegszeit: Zwischen 2010 und 2016 verlor Griechenland ein Viertel seiner Wirtschaftskraft. Griechenland gehört zu den Hauptproﬁteuren des EU-Wiederaufbaufonds, einem rund 800 Milliarden Euro schweren Programms. Zwei Auszahlungen hat Athen bereits erhalten, eine dritte Tranche dürfte folgen. Insgesamt stehen Griechenland bis 2026 rund 31 Milliarden Euro an Zuschüssen und Darlehen zu. Gemessen an der Wirtschaftsleistung erhält kein Land so viel Fördergeld aus Brüssel, nämlich knapp 17% der Wirtschaftsleistung von 2021. Bruttoinlandsprodukt Griechenland, jährliches Wachstum in % Quelle: tradingeconomics.com Ganz erholt hat sich das Land bis heute nicht. Das BIP lag im Jahr 2022 mit 208 Milliarden Euro immer noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 238 Milliarden Euro. Die Reallöhne lagen im vergangenen Jahr bei nur 71% des Vorkrisenniveaus. Fast jede:r Dritte unter den 15- bis 24-jährigen ist erwerbslos. Mit 31,4% hatte Griechenland 2022 nach ofﬁ- ziellen Angaben die höchste Jugenderwerbslosenquote der EU. Der Durchschnitt liegt bei 14,5%. Dennoch gibt es etwa von der EU-Kommission gute Noten, da Griechenland trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds einer der Spitzenreiter bei der Umsetzung seines Kon- junkturprogramms und seiner Resilienz sei. Internen Schätzungen der Behörde zufolge sei der Wiederaufbauplan „die Haupttriebfeder der Investitionsausgaben und trägt in erheblichem Maße zum Wirtschaftswachstum bei“, heißt es. Langfristig sei zudem mit steigender Produktion zu rechnen.30 Auch die vier großen Banken Griechenlands stehen stabil da. Die vollständige Reprivatisierung 63

der Eurobank, die kürzlich vollzogen wurde, ist ein wichtiger Schritt für die griechische Banken- branche insgesamt. 14 Jahre nach Beginn der Staatsschuldenkrise, die das griechische Finanz- system an den Rand des Zusammenbruchs brachte, geht es nun für die Banken wieder bergauf. Aktuell hält der Rettungsfonds noch 40,4% an der NBG (National Bank of Greece) und 27% an der Piraeus Bank. An der Alpha Bank ist der Staat mit 9% beteiligt. Die Statuten sehen vor, dass sich der Fonds bis 2025 von seinen Beteiligungen trennt. Beim Schuldenschnitt vom Frühjahr 2012 mussten die privaten Gläubiger auf 53,5% ihrer Forderungen verzichten. Dadurch verloren die griechischen Banken 37,7 Milliarden Euro – fast ihr gesamtes Eigenkapital. Der Rückzug des Aufbaufonds und damit die der Staatsvertreter aus den Aufsichtsräten der Institute, zeigt, dass die griechischen Banken wieder auf eigenen Beinen stehen. Für die Verluste aus der Bankenrettung müssen aber dennoch griechischen Steuerzahler aufkommen, diese werden bis 2070 abgestottert.31 Die konservative Mehrheitsregierung unter Premierminister Mitsotakis hat in den vergan- genen Jahren Etatdisziplin geübt, die Schulden gesenkt und Hilfen wie Energiepreis- Subventionierungen ﬁnanzieren können. Geholfen hat auch die hohe Inﬂation, die deutlich mehr Geld in die Staatskassen gespült hat. 64

14. Deutschlands Wirtschaft wird weiter schrumpfen (02.11.2023) Quelle: pixabay.com Die Basisprognose des „World Economic Outlook“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Oktober 2023, geht davon aus, dass sich das globale Wirtschaftswachstum von 3,5% im Jahr 2022 auf 3% im Jahr 2023 und 2,9% im Jahr 2024 verlangsamen wird. Dies liegt unter dem historischen Durchschnitt (2000 – 2019) von 3,8%. Es wird erwartet, dass sich das Wirtschaftswachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften von 2,6% im Jahr 2022 auf 1,5% im Jahr 2023 und 1,4% im Jahr 2024 verlangsamt, da die ﬁ- nanzpolitischen Maßnahmen greifen. Für die Schwellen- und Entwicklungsländer wird ein leichter Wachstumsrückgang von 4,1% im Jahr 2022 auf 4% in den Jahren 2023 und 2024 prognostiziert. 65

Quelle: https://www.imf.org/ Die globale Inﬂation wird voraussichtlich stetig sinken, von 8,7% im Jahr 2022 auf 6,9% im Jahr 2023 und 5,8% im Jahr 2024, aufgrund einer strafferen Geldpolitik, unterstützt durch niedrigere internationale Rohstoffpreise. Die Kerninﬂation wird gemäß Prognose allmählich sinken und die Inﬂation in den meisten Fällen erst im Jahr 2025 wieder zum Zielwert zurückkehren. Die IWF-Ökonom:innen sehen die Weltwirtschaft also grundsätzlich zuversichtlich, wenn auch nach der Corona-Pandemie und dem Angriff auf die Ukraine historisch schwach. Im aktuellen Bericht sind auch die Auswirkungen des Nahostkonﬂikts und dem Krieg Israels gegen die Hamas noch nicht bewertet. Rückblickend betrachtet sei die Widerstandskraft der Weltwirtschaft im Hinblick auf diverse Krisen jedoch bemerkenswert, so der IWF. Frühere Wachstumsraten liegen besonders für Deutschlands Konjunktur außer Reichweite. Der Internationale Währungsfonds erwartet für Deutschland im Jahr 2023 eine noch tiefere Rezession als bei seiner letzten Prognose im Sommer. 2023 sei mit einer um 0,5% geringeren Wirtschaftsleistung zu rechnen. Im Juli hatte die Organisation noch ein Minus von 0,3% voraus- gesagt. Im Jahr 2024 hingegen soll die deutsche Wirtschaft wieder um 0,9% wachsen. Das sind 0,4% weniger als noch im Juli angenommen. Als Gründe nennt der IWF die Schwäche zinsempﬁndlicher Sektoren, geringere Nachfrage durch Handelspartner und folglich eine Schwäche der Industrieproduktion. 66

Quelle: https://www.handelsblatt.com/ Die schwachen Wachstumszahlen der deutschen Wirtschaft und das Pendeln der Zahlen um den Nullpunkt erhöhen die öffentliche Aufmerksamkeit. Dennoch besteht gemäß Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser Hoffnung auf eine langsame Trendwende in den nächsten Monaten. Ent- gegen den Prognosen des IWF prognostizieren die Institute für das vierte Quartal ein Wachstum von 0,2%, für 2024 ein quartalsweises Wachstum von 0,5 bis 0,6%. Über das Gesamtjahr soll ein Plus von 1,3% stehen und 2025 wird ein Wachstum von 1,5% erwartet. In vielen Bereichen der deutschen Wirtschaft laufe es zwar weiterhin schlecht, aber die Talsohle sei erreicht, so die Expert:innen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Besonders wichtig für Deutschland ist die Industrieproduktion. Die Zinswende und die schwache 67

Auslandsnachfrage belasten diese weiter. Die Unternehmen haben ihre Produktion zuletzt vier Monate in Folge gedrosselt. Im August betrug der Rückgang aber preisbereinigt nur 0,7% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Während der Rückgang im gesamten Gewerbe 2% betrug. Vor allem die Automobilindustrie stützte mit einem Wachstum von 7,6%. Dem Statistischen Bundesamt zufolge war diese Entwicklung der Hauptgrund dafür, dass die Schrumpfung im dritten Quartal so viel niedriger ausﬁel als von den Instituten gedacht. Von Juni bis August legten die Industrieaufträge um 4,9% im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten zu. Das wachsende Neugeschäft kommt zur rechten Zeit, denn die während der Coronapandemie liegen gebliebenen Bestellungen sind mittlerweile weitgehend abgearbeitet.32 In China wuchs die Wirtschaft im dritten Quartal 2023 um rund 5% überraschend kräftig und gibt der exportlastigen deutschen Industrie dadurch Hoffnung. Auch in der weltgrößten Volkswirtschaft USA sieht es mittlerweile so aus, als ob die wegen der dortigen Zinserhöhungen erwartete Rezession sehr mild ausfällt oder sogar ausbleibt. Gemäß ifo-Institut (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.) dürfte die Nachfrage nach deutschen Waren wieder zulegen. Auch der Dienstleistungssektor entwickelte sich zuletzt etwas positiver. Im Juli 2023 ergab sich ein preisbereinigtes Plus von 0,8% im Vergleich zum Juni. Gegenüber dem Vorjahresmonat stie- gen die Umsätze der Dienstleister um 5,7%. Dazu trug vor allem der Bereich der „freiberuﬂichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ bei. Auch der Rückgang der Inﬂation trägt dazu bei, dass sich die Dienstleistungen besser entwickeln. Die Inﬂationsrate sank im Oktober in Deutschland auf 3,8%, der niedrigste Wert seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022. Gleichzeitig ziehen die Löhne an, die Kaufkraft der privaten Verbraucher:innen steigt. 68

1. Krisengewinner USA (19.01.2023) Die US-amerikanische Wirtschaft erweist sich in den aktuellen Krisenzeiten als widerstandsfähi- ger als die meisten anderen Ökonomien. Obwohl der Krieg geograﬁsch weit weg von den Vereinigten Staaten von Amerika ist, engagieren sich die USA ﬁnanziell und politisch stark in der Ukraine. Schließlich ist die US-amerikanische Rüstungsindustrie einer der größten Proﬁteure vom Krieg vor unserer Haustür. Quelle: Handelsblatt, SIPRI Außerdem sind die USA Energie-Selbstversorger und proﬁtieren von den hohen Energiepreisen in Europa, denn ein hoher Anteil des Energiebedarfs hierzulande muss mit Öl und Gas aus den USA gedeckt werden. innerhalb weniger Monate die Zinsen in großen Schritten auf Die US-Notenbank Fed hat mittlerweile 4,5% erhöht. Obwohl durch die höheren Zinsen die Kreditkosten der Unternehmen für Finanzierungen steigen, werten die Aktienmärkte die höheren Zinsen als positives Signal. Langfristig soll dadurch ein normales Zinsniveau erreicht werden. Auch die Spareinlagen der US-Bürger sind durch die Zinserhöhung gestiegen. Die Inﬂation in den USA geht seit Juni 2022 kontinuierlich zurück und liegt im Dezember 2022 bei 6,5%. Dies gegenüber 8,6% Inﬂation in der Bundesrepublik Deutschland und 10,2% in Österreich im Dezember. 71

Die US-Aktienmärkte haben sich in den letzten Monaten merklich stabilisiert. Quelle: https://www.geld-magazin.at/ﬂipBooks/gm2212/28/index.html (17.01.2022) Durch die höheren Zinsen auf US-Staatsanleihen ﬂießt nun erheblich mehr Geld vom Ausland in die USA. Für ausländische Investoren wird es attraktiver US-Staatsanleihen zu kaufen. Damit einher geht eine signiﬁkante Stärkung des US-Dollars. Nicht zuletzt sehen die mittelfristigen Wachstumsaussichten für die Vereinigten Staaten dank der beeindruckenden öffentlichen Investitionsprogramme sehr gut aus. 72

Quelle: Union Investment, Stand: 31.08.2022 Mit diesen drei großen staatlichen Investitionsprogrammen, die sich auf fast 1.300 Milliarden USD summieren, soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der USA gesteigert und der „grüne Wandel“ der Wirtschaft beschleunigt werden (siehe unseren Artikel vom 12.01.2023 auf Seite 111). Um auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu verbessern, sprach sich EU-Kommissionscheﬁn Ursula von der Leyen im zurzeit stattﬁndenden Weltwirtschaftsforum in Davos für einen europäischen „Green-Deal-Industrieplan“ aus. Die Initiative kann durchaus als Reaktion auf den „Inﬂation Reduction Act“ der USA verstanden werden, der in Europa Ängste vor einem neuen Subventionswettlauf ausgelöst hat. Die staatlichen Investitionspläne der USA legen den Grundstein für einen langfristigen In- vestitionsboom. Denn die Programme werden nicht nur als Starthilfe verstanden, sondern sollen Entwicklungen und Innovationen anstoßen und die Verbreitung von neuen Technologien beschleunigen. Die Milliardensubventionen locken viele ausländische, auch immer mehr europäische Unterneh- men, an, die in den USA neue Standorte und Fabriken planen. Der Inﬂation Reduction Act zielt darauf ab, die Teuerungswelle in den Vereinigten Staaten einzu- dämmen. 73

2. Krisenstimmung am Zauberberg (26.01.2023) Im 1924 erschienenen Bildungsroman „Der Zauberberg“ von Thomas Mann wird die Hauptﬁgur Hans Castrop in seinen sieben Jahren in Davos mit verschiedensten Weltanschauungen aus Politik, Philosophie, Kultur und Liebe konfrontiert. Sein persönlicher Entwicklungsprozess mündet jedoch ins Leere, der Ausbruch des Ersten Weltkriegs reißt ihn aus seinem passiven Dasein. Im von Thomas Mann mehrfach erwähnten Luxushotel Schatzalp in Davos dinierten bis vor kurzem auch noch die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums 2023. Manche Expert:innen ﬁnden diese historische Verbindung mehr als passend. So sieht der für seine pessimistischen Vorhersagen bekannte Ökonom Nouriel Roubini unserer Zeit der „Megathreats“33 Parallelen zur Ausgangssituation von Manns Roman. Die erste Phase der Globalisierung konnte den Kriegsausbruch 1914 nicht verhindern, dieser Tragödie folgte eine Pandemie (die Spanische Grippe), der Börsencrash von 1929, die Weltwirtschaftskrise, Handels- und Währungskriege, Inﬂation, Hyperinﬂation und Deﬂation, Finanzkrisen und massive Zahlungsausfälle sowie Arbeits- losenquoten von über 20%. Dem Aufstieg des Faschismus in Italien, des Nationalsozialismus in Deutschland und dem Militarismus in Spanien und Japan waren Tür und Tor geöffnet und führten zum Zweiten Weltkrieg.34 in Als ein unsere Zukunft gefährdendes Konglomerat aus miteinander verbundene Megathreats bezeichnet Roubini die extrem hohe Inﬂation, die die hartnäckig niedrige Inﬂation der Vor- pandemiezeit abgelöst hat; die aus anhaltender Stagnation des Wirtschaftswachstums und der lockeren Geld- und Fiskalpolitik erwachsene Stagﬂation; die steigenden Zinssätze, die Kreditkosten antreiben und das Risiko einer Schuldenkrise erhöhen sowie das neue Zeitalter geprägt von Deglobalisierung, Protektionismus und Handelskonﬂikten. Auch Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff warnt bereits zu Beginn des Weltwirtschaftsforums davor, dass 2023 ein sehr schwieriges Jahr werden wird, schwieriger als 2022. Eine Rezession sei wahrscheinlich und der Krieg in der Ukraine werde auch im Jahr 2023 weitergehen. Damit klammert er sich nicht wie viele Teilnehmer aus Politik und Wirtschaft an die Hoffnung, dass „die Rezension milder ausfallen wird als erwartet“, wie der IWF bei dem Treffen mehrmals bekräftigte. Das Update für den „World Economic Outlook“ des IWF wird für Ende Jänner erwartet und soll verhalten positiv sein. Die Verlangsamung des globalen Wachstums hat gemäß dem Bericht die Talsohle erreicht und wird sich gegen Ende des Jahres 2023 und zu Beginn des Jahres 2024 umkehren. EZB-Cheﬁn Christine Lagarde dämpfte die Aufbruchstimmung in Davos mit der mehrfachen Betonung, dass die Inﬂation schlichtweg zu hoch sei. Sie warnte zudem vor übermäßigen und nicht zielgerichteten Staatsausgaben und vor dem Nachlassen der Notenbanker im Kampf gegen 75

die Inﬂation. Das deutet freilich auf weitere Erhöhungen der Zinsen hin. Viele Expert:innen, CEOs und Ökonom:innen sind nach den Krisen und Schocks der letzten Zeit selbst verunsichert, ob ihre Modelle noch alles voraussagen. Für viele Situationen scheinen mehrere Szenarien möglich zu sein. Beispiel China: Die Öffnung nach der Zero-COVID-Politik dürfte einen Boost für die Weltwirtschaft bringen, so auch Rogoff. Wenn China aber wieder mehr Öl und Gas nachfragt, könnte das die Preise anheizen. Millionen chinesischer Touristen, die wieder die Welt bereisen, könnten zudem eine neue COVID-Variante verbreiten.35 Auch die Lage der Ukraine nahm viel Raum bei den Veranstaltungen des Weltwirtschafts- forums ein. Solidarität wurde mehrfach und wiederholt geäußert und beschworen, von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Premierministern wie Mark Rutte aus den Niederlanden oder den amerikanischen Senatoren. Zudem war Präsident Selenskyj live zugeschaltet und kritisierte das internationale Zögern bei der Unterstützung der Ukraine. Nachdem das Thema Klimawandel angesichts der vielfältigen globalen Krisen in den Hinter- grund zu rücken drohte, war es am Ende doch stärker präsent als erwartet. Immerhin ﬁndet die Kontroverse, ob es eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien geben muss, nicht mehr statt. Es geht nur darum, wie schnell dieser Umstieg stattﬁnden muss und kann. Der Inﬂation Reduction Act der USA ist nicht nur ein großes Klimapaket, sondern leitet auch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Großmächten und Ländern ein, in dem es um Start-ups, Kapital und Talente geht. Die EU reagiert darauf mit der Ankündigung eines „Net- Zero Industry Act“, durch den Ursula von der Leyen die europäische Industrie stärker steuern will. Die multiplen globalen Krisen bestimmten die Agenda beim Weltwirtschaftsforum von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. In hunderten Panels, Sessions und Veranstaltungen diskutierten Regierungsvertreter, Konzernchefs, Akademiker und Aktivisten über so unterschiedliche The- men wie Gleichberechtigung, Kampf gegen Plastikmüll, Tuberkulose oder die Chancen auf die Klimawende. Auch wenn nicht alle Analyst:innen es gar so schwarz sehen wie Nouriel Roubini und die Paral- lelen zu Manns Zauberberg nicht erkennen – große Probleme und Menschen, die viel reden, gab es gewiss auch dieses Jahr wieder in Davos. 76

3. Update zur Ernährungssicherheit (04.05.2023) Quelle: pixabay Die Weltbank veröffentlicht regelmäßig Berichte zur Welternährungssicherheit, zuletzt am 24. April 202336. Seit dem letzten Update vom 6. April 2023 schlossen die Agrar-, Getreide- und Exportindizes um 3%, 2% bzw. 8% höher. Der Anstieg des Exportpreisindex war auf einen Anstieg der Kaffeepreise um 11% zurückzuführen. Bei Getreide schlossen die Maispreise 4% höher, die Weizenpreise 1% niedriger, während die Reispreise im Vergleich zu zwei Wochen zuvor auf gleichem Niveau schlossen. Im Jahresvergleich sind die Mais- und Weizenpreise 14% bzw. 36% niedriger, während die Reispreise 16% höher sind. Im Vergleich zu Januar 2021 sind die Preise für Mais und Weizen um 31% bzw. 6% höher, während die Reispreise um 4% niedriger sind. 77

Quelle: World Bank commodity price data37 Die Inﬂation der Lebensmittelpreise bleibt weltweit hoch. In den letzten Monaten stieg die Inﬂation mit Raten von 5% in 70,6% der Länder mit niedrigem Einkommen, in 90,9% der Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen und in 87% der Länder mit oberem mittlerem Einkommen. Viele erleben eine zweistellige Inﬂation. Auch in 84,2% der Länder mit ho- hem Einkommen gibt es eine hohe Lebensmittelpreisinﬂation. Die am stärksten betroffenen Länder beﬁnden sich in Afrika, Nordamerika, Lateinamerika, Südasien, Europa und Zentralasien. Food Inﬂation Heat Map Quelle: International Monetary Fund, Haver Analytics, and Trading Economics38 78

Lebensmittelinﬂaiton: Top 10 Liste Quelle: International Monetary Fund, Haver Analytics, and Trading Economics39 Der Referenzindex der internationalen Lebensmittelpreise, der die monatlichen Veränderungen der internationalen Rohstoffpreise abbildet, ging im März 2023 den 12. Monat in Folge zurück. Laut dem aktuellen Bericht der FAO40 (Food and Agriculture Organization of the United Nations) lag der Index im März bei durchschnittlich 126,9 Punkten, 2,1% niedriger als im Februar 2023 und 20,5% niedriger als sein Höchststand im März 2022. Dies deutet darauf hin, dass eine Kombination von Faktoren, darunter ein reichliches Angebot, eine gedämpfte Importnachfrage und die Ausweitung der Schwarzmeergetreideinitiative, zu dem Rückgang beigetragen haben. Im Jahr 2019, vor COVID-19, lag der FAO-Lebensmittelpreisindex bei 95,1 Punkten. Lebensmittelinﬂaiton: Top 10 Liste Quelle: International Monetary Fund, Haver Analytics, and Trading Economics41 Im aktuellen Blog des International Food Policy Research Institute (IFPRI) werden Entwicklungen in der Biokraftstoffproduktion diskutiert und welche Auswirkungen Unterstützung und Förderung 79

mit sich bringen. Es werden auch alternative Mechanismen besprochen, die die Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise abschwächen könnten. Dennoch ist anzunehmen, dass Biokraftstoff- politik trotz der Kritik, die während früherer Preisspitzen geäußert wurde, weiterhin an Popularität gewinnen wird. Angesichts der anhaltenden Besorgnis über die russische Invasion in der Ukraine schlägt der Blog vor, den Beitrag von Biokraftstoffen zur Eindämmung des Klimawandels zu überprüfen und eine größere Flexibilität zu entwickeln, wenn die Märkte eng und die Preise hoch sind. Darüber hinaus würde die Entwicklung von Abfallprodukten und Ernterückständen als Ausgangsmaterial für Biokraftstoffe alle Vorteile ermöglichen, die Mit Biokraftstoffvorschriften verbunden sind, ohne den Wettbewerb um die Verwendung von Lebensmitteln zu verstärken. Quelle: International Monetary Fund, Haver Analytics, and Trading Economics42 Nach Russlands Invasion in die Ukraine haben die von Ländern auferlegten handelsbezogenen Sanktionen stark zugenommen. Die globale Lebensmittelkrise wurde teilweise durch die wach- sende Anzahl von Beschränkungen des Lebensmittelhandels verschlimmert, die von Ländern mit dem Ziel eingeführt wurden, das Inlandsangebot zu erhöhen und die Preise zu senken. Bis zum 13. März 2023 haben 23 Länder 29 Lebensmittelexportverbote und 10 Länder 14 exportbegrenzende Maßnahmen umgesetzt. Der Global Report on Food Crisis 2022 Mid-year Update der Weltbank43 sagte für den Pro- gnosezeitraum Oktober 2022 bis Januar 2023 voraus, dass bis zu 205 Millionen Menschen in 45 Ländern mit akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert sein und dringend Hilfe benötigen werden. Schätzungen zufolge haben rund 45 Millionen Menschen in 37 Ländern so wenig zu essen, dass sie stark unterernährt und bereits von Hunger und Tod bedroht sind. 80

Im April 2022 gab die Weltbank bekannt, dass sie über einen Zeitraum von 15 Monaten als Reaktion auf die Ernährungskrise bis zu 30 Milliarden USD zur Verfügung stellt, darunter 12 Milliarden für neue Projekte. Die Finanzierung soll kurz- und langfristige Maßnahmen in vier Bereichen unterstützen: Unterstützung von Erzeugern und Verbrauchern, Erleichterung des verstärkten Handels mit Lebensmitteln und Handelsgütern, Unterstützung für benachteiligte Haushalte und Investition in nachhaltige Lebensmittel- und Ernährungssicherheit. Die Weltbankgruppe und die G7-Präsidentschaft haben im Mai 2022 gemeinsam die Globale Allianz für Ernährungssicherheit einberufen, die darauf abzielt, eine sofortige Reaktion auf die sich ausbreitende globale Hungerkrise zu katalysieren. Im Februar 2023 veröffentlichten die Leitung der FAO, des IWF, der Weltbankgruppe, des WFP und der WTO eine gemeinsame Erklärung mit einer Aufforderung zu weiteren dringenden Maßnahmen wie Vermeidung von Hungerherden, Erleichterung des Handels, Verbesserung des Funktionierens der Märkte, Stärkung des privaten Sektors und Reformierung schädlicher Subventionen. Darüber hinaus sollen Länder kurzfristige dringende Interventionen mit längerfristigen Resilienz- bemühungen abwägen, um auf die globale Ernährungskrise zu reagieren. 81

Quelle: SIPRI Mehrere Staaten erhöhten ihre Militärausgaben nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 erheblich, während andere Pläne ankündigten, das Ausgabenniveau über Zeiträume von bis zu einem Jahrzehnt zu erhöhen. Einige der stärksten Zuwächse wurden in Finnland (36%), Litauen (27%), Schweden (12%) und Polen (11%) verzeichnet. Laut Lorenzo Scarazzato, Forscher beim SIPRI-Programm für Militärausgaben und Waffenpro- duktion, haben viele ehemalige Ostblockstaaten ihre Militärausgaben bereits seit 2014, dem Jahr, als Russland die Krim annektierte, mehr als verdoppelt. Die russischen Militärausgaben stiegen im Jahr 2022 um geschätzte 9,2% auf rund 86,4 Milliar- 85

den USD. Dies entspricht 4,1% des russischen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2022, gegenüber 3,7% des BIP im Jahr 2021. Von Russland Ende 2022 veröffentlichte Zahlen zeigen, dass die Ausgaben für die Landesver- teidigung, die größte Komponente der russischen Militärausgaben, nominell bereits 34% höher waren als in den Haushaltsplänen von 2021. Dr. Lucie Béraud-Surdreau, Direktorin des Militärausgaben- und Waffenproduktionsprogramms von SIPRI, geht davon aus, dass die Invasion der Ukraine Russland weit mehr gekostet hat als erwartet. Die Militärausgaben der Ukraine erreichten im Jahr 2022 44 Milliarden USD. Mit 640% war dies der höchste Anstieg der ukrainischen Militärausgaben in einem Jahr, der jemals in SIPRI-Daten verzeichnet wurde. Infolge des Anstiegs und des kriegsbedingten Schadens für die ukrainische Wirtschaft stieg die Militärlast (Militärausgaben als Anteil des BIP) von 3,2% im Jahr 2021 auf 34% des BIP im Jahr 2022. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben weiterhin die größten Militärausgaben der Welt. Die US-Militärausgaben erreichten im Jahr 2022 877 Milliarden USD, das sind 39% der gesamten weltweiten Militärausgaben und dreimal so viel wie die Ausgaben Chinas, des zweitgrößten Geldgebers der Welt. Der reale Anstieg der US-Ausgaben um 0,7% im Jahr 2022 wäre sogar noch größer gewesen, wenn es nicht die höchste Inﬂation seit 1981 gegeben hätte. Zurückzuführen ist der Anstieg der US-Militärausgaben der USA größtenteils auf die beispiellose Höhe der ﬁnanziellen Militärhilfe für die Ukraine. Selbst eine geringfügige prozentuale Erhöhung hat angesichts des Umfangs der US-Ausgaben erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der weltweiten Militärausgaben. Die ﬁnanzielle Militärhilfe der USA an die Ukraine belief sich im Jahr 2022 auf insgesamt 19,9 Milliarden USD. Obwohl dies die größte Militärhilfe war, die ein Land seit dem Kalten Krieg in einem Jahr an einen einzelnen Begünstigten geleistet hat, machte sie nur 2,3% der gesamten US-Militärausgaben aus. Im Jahr 2022 stellten die USA 295 Milliarden USD für militärische Operationen und Instandhaltung, 264 Milliarden USD für Beschaffung sowie Forschung und Entwicklung und 167 Milliarden USD für Militärpersonal bereit. Die kombinierten Militärausgaben der Länder in Asien und Ozeanien beliefen sich auf 575 Mil- liarden USD. Das waren 2,7% mehr als 2021 und 45% mehr als 2013, womit sich ein ununterbrochener Aufwärtstrend seit mindestens 1989 fortsetzt. China blieb der weltweit zweitgrößte Investor in das Militär und stellte 2022 geschätzte 292 Milliarden USD bereit. Das waren 4,2% mehr als 2021 und 63% mehr als 2013. Chinas Militärausgaben sind 28 Jahre in Folge gestiegen. Japans Militärausgaben erhöhten sich zwischen 2021 und 2022 um 5,9% und erreichten 46 Milli- arden USD oder 1,1% des BIP. Das ist das höchste Niveau der japanischen Militärausgaben seit 1960. Eine neue nationale Sicherheitsstrategie, die 2022 veröffentlicht wurde, enthält ehrgeizige Pläne zur Steigerung der militärischen Fähigkeiten Japans in den kommenden zehn Jahren als Reaktion auf die wahrgenommene wachsende Bedrohung durch China, Nordkorea und Russland. 86

Indiens Militärausgaben von 81,4% sind die vierthöchsten der Welt. Indien gab 6% mehr als 2021 aus. Im Jahr 2022 stiegen die Militärausgaben von Saudi-Arabien, dem Land mit den fünftgrößten Ausgaben, um 16% auf geschätzte 75 Milliarden USD, der erste Anstieg seit 2018. Nigerias Militärausgaben gingen um 38% auf 3,1 Milliarden USD zurück, nachdem die Ausgaben im Jahr 2021 um 56% gestiegen waren. Die Militärausgaben der NATO-Mitglieder beliefen sich im Jahr 2022 auf insgesamt 1.232 Milliar- den USD, 0,9% mehr als im Jahr 2021. Großbritannien hatte mit 68,5 Milliarden USD die höchsten Militärausgaben in Mittel- und Westeuropa, wovon geschätzte 2,5 Milliarden USD (3,6%) auf ﬁnanzielle Militärhilfe für die Ukraine entﬁelen. Im Jahr 2022 gingen die Militärausgaben der Türkei das dritte Jahr in Folge zurück und erreichten 10,6 Milliarden USD, was einen Rückgang von 26% gegenüber 2021 bedeutet. Äthiopiens Militärausgaben stiegen 2022 um 88% auf 1 Milliarde USD. Der Anstieg ﬁel mit einer erneuten Offensive der Regierung gegen die Tigray People’s Liberation Front im Norden des Landes zusammen. Der reale Anstieg der weltweiten Militärausgaben im Jahr 2022 wurde durch die Auswirkungen der Inﬂation gebremst, die in vielen Ländern auf ein seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenes Niveau angestiegen ist. Nominal (d.h. in jeweiligen Preisen ohne Inﬂationsanpassung) stieg die globale Gesamtsumme um 6,5%. 87

5. Aufrüstung von Atomwaffenarsenalen weltweit (15.06.2023) Quelle: pixabay Aus dem kürzlich veröffentlichten Jahrbuch des Stockholmer Friedensforschungsinstituts46 (SI- PRI) geht hervor, dass die Anzahl der weltweit einsatzfähigen Atomwaffen und Atomsprengköpfe im Jahr 2022 leicht angestiegen ist.47 Die neun Atommächte – die Vereinigten Staaten, Russland, das Vereinigte Königreich, Frank- reich, China, Indien, Pakistan, die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) und Israel – modernisieren weiterhin ihre Atomwaffenarsenale und haben mehrere neue einsatzfähige Atomwaffen sowie nuklear bewaffnete oder nuklearfähige Waffensysteme. Von geschätzten 12.512 nuklearen Sprengköpfen der Atommächte befanden sich im Januar 2023 insgesamt 9.576 in militärischen Lagern zur potentiellen Verwendung. Das sind 86 mehr als im Vorjahr. Davon sind etwa 3.844 nukleare Sprengköpfe einsatzbereit und rund 2.000 in höchster Alarmbereitschaft, das heißt, sie wurden an Raketen montiert oder beﬁnden sich auf Luftwaffen- stützpunkten. Beinahe alle davon beﬁnden sich im Bestand der USA oder Russland. Die beiden Großmächte verfügen zusammen über fast 90% aller Atomwaffen. 89

Neben ihren einsatzfähigen Atomwaffen verfügen Russland und die USA jeweils über mehr als 1000 zuvor aus dem Militärdienst ausgemusterte Sprengköpfe, die sie nach und nach demontieren. Die Schätzung von SIPRI zur Größe des chinesischen Atomarsenals stieg von 350 Sprengköpfen im Januar 2022 auf 410 im Januar 2023. Es wird erwartet, dass die Zahl steigt. Abhängig von der Strukturierung seiner Streitkräfte könnte China bis zur Jahrtausendwende möglicherweise über mindestens so viele Interkontinentalraketen (ICBMs) verfügen wie die USA oder Russland. Expert:innen vom SIPRI-Programm für Massenvernichtungswaffen gehen davon aus, dass China mit einer erheblichen Erweiterung seines Nukleararsenals begonnen hat. „Es wird immer schwieriger, diesen Trend mit Chinas erklärtem Ziel in Einklang zu bringen, nur über die mini- malen Nuklearstreitkräfte zu verfügen, die zur Aufrechterhaltung seiner nationalen Sicherheit erforderlich sind.“ So Hans M. Kristensen, Direktor des Nuclear Information Project bei der Federation of American Scientists (FAS). Obwohl davon ausgegangen wird, dass das Vereinigte Königreich sein Atomwaffenarsenal im Jahr 2022 nicht erhöht hat, wird erwartet, dass der Sprengkopfvorrat aufgrund der Ankündigung der britischen Regierung im Jahr 2021, die Grenze von 225 auf 260 Sprengköpfe anzuheben, in Zukunft wachsen wird. Die Regierung sagt außerdem, sie werde ihre Mengen an Atomwaffen, eingesetzten Sprengköpfen oder eingesetzten Raketen nicht mehr öffentlich bekannt geben. Frankreich setzte 2022 seine Programme zur Entwicklung eines nuklearbetriebenen U-Bootes mit ballistischen Raketen (SSBN) der dritten Generation und neuen luftgestützten Marschﬂugkörpern sowie zur Sanierung und Modernisierung bestehender Systeme fort. 90

Quelle: SIPRI Indien und Pakistan scheinen ihre Nukleararsenale ebenfalls zu erweitern. Beide Länder führten im Jahr 2022 neue Arten nuklearer Trägersysteme ein und entwickelten diese weiter. Während Pakistan weiterhin im Mittelpunkt der nuklearen Abschreckung Indiens steht, scheint Indien zunehmend Wert auf größere Reichweite zu legen. Indiens Nuklearwaffen können Ziele in ganz China erreichen. Nordkorea priorisiert weiterhin sein militärisches Nuklearprogramm als zentrales Element seiner nationalen Sicherheitsstrategie. Im Jahr 2022 führte das Land keine Atomtestexplosionen durch, jedoch 90 Raketentests. Einige dieser Raketen, zu denen auch neue Interkontinentalraketen gehören, könnten in der Lage sein, Atomsprengköpfe zu tragen. SIPRI schätzt, dass Nordkorea inzwischen etwa 30 Sprengköpfe montiert hat und über genügend spaltbares Material für insgesamt 50-70 Sprengköpfe verfügt. Beides stellt deutliche Steigerungen gegenüber den Schätzungen vom Januar 2022 dar. 91

Es wird auch angenommen, dass Israel, das nicht öffentlich den Besitz von Atomwaffen zugibt, sein Atomwaffenarsenal modernisiert. Aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 hat die Diplomatie im Bereich der Rüstungskontrolle sowie Abrüstung einen schweren Rückschlag erlitten, so SIPRI. Im Zuge der Invasion setzten die USA ihren bilateralen strategischen Stabilitätsdialog mit Russland aus. Im Februar 2023 gab Russland bekannt, dass es seine Teilnahme am Vertrag über Maßnahmen zur weiteren Reduzierung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen (New START) von 2010 aussetzen werde. Dies ist der letzte verbliebene Atomwaffenkontrollvertrag zur Begrenzung der strategischen Nuklearstreitkräfte Russlands und der USA. Gespräche über einen Nachfolgever- trag zu New START, der 2026 ausläuft, wurden ausgesetzt. Dennoch blieben nach Einschätzung von SIPRI die eingesetzten strategischen Nuklearstreitkräfte beider Länder ab Januar 2023 innerhalb der New START-Grenzwerte. Die militärische Unterstützung des Iran für die russischen Streitkräfte in der Ukraine und die politische Situation im Iran überschatteten auch die Gespräche über die Wiederbelebung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (JCPOA), des Abkommens von 2015, das den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen hindern sollte. Auch die Transparenz in Bezug auf Atomwaffen nahm ab. Die USA und das Vereinigte Königreich lehnten es ab, Informationen über ihre Nuklearstreit- kräfte im Jahr 2022 an die Öffentlichkeit weiterzugeben, wie sie es in den Vorjahren getan hatten. Gemäß SIPRI-Direktor Dan Smith ist durch die geopolitischen Spannungen, das Misstrauen und die geschlossenen Kommunikationskanäle zwischen nuklear bewaffneten Rivalen das Risiko von Fehleinschätzungen, Missverständnissen oder Unfällen unannehmbar hoch. „Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte.“, so Dan Smith. Es sei unabdingbar, Wege der Zusammenarbeit zu ﬁnden um geopolitische Spannungen abzubauen und den Rüstungswettlauf zu verlangsamen. 92

6. Eine Neuauﬂage der Vereinten Nationen ist nötig (21.09.2023) Quelle: pixabay Dieser Tage ﬁndet die 78. Tagung der Vereinten Nationen – Generalversammlung in New York statt. Im Mittelpunkt stehen das Engagement für den Multilateralismus und eine regelbasierte internationale Ordnung. Angesichts zahlreicher globaler Krisen wie des illegalen Kriegs Russ- lands gegen die Ukraine, der Lage im Sahel und der Klimakrise stehen die Vereinten Nationen vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen. Die Vereinten Nationen (United Nations, UN oder United Nations Organization, UNO) sind ein zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Staaten und als globale internationale Organisation ein uneingeschränktes anerkanntes Völkerrechtsubjekt.48 Gemäß ihrer Charta sind die wichtigsten Aufgaben der UNO die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationa- len Zusammenarbeit. Im Vordergrund stehen zudem Unterstützung in wirtschaftlichen, sozialen, humanitären und ökologischen Belangen. Im Jahr 2020 feierte die UNO ihr 75-jähriges Bestehen. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit 50 Jahren Mitglied der Vereinten Nationen, die USA sind Gründungsmitglied. Die Institution wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet, um den Weltfrieden 93

zu wahren und ist somit heute wichtiger denn je. Dennoch beﬁndet sie sich in einer tiefen Krise. Für viele wirken die UNO und der für den Weltfrieden verantwortliche UN-Sicherheitsrat wie ein Anachronismus. In seinem Kommentar im Handelsblatt sieht Journalist Jens Münchrath49 den Grund dafür einerseits in den USA. Die westliche Führungsmacht war nicht erst mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im Jahr 2016 nicht mehr bereit, als Garant der regelba- sierten Weltordnung zu agieren. Aus Sicht vieler Länder haben die USA schon mit fragwürdigen Interventionen wie in Afghanistan oder Irak oder mit ihrer rücksichtslosen „America-First-Politik“ ihre Legitimation verwirkt. Zudem kommt der eskalierende Konﬂikt zwischen den beiden Sys- temkonkurrenten China und USA. Dann ist da noch Europa, das zwei der fünf Vetomächte im Sicherheitsrat stellt, aber geopolitisch inzwischen als vernachlässigende Größe gelten muss, so Münchrath. Die EU könne sich aus nationalstaatlichem Egoismus nicht auf einen gemeinsamen Sitz verständigen und Deutschland fordere als eine weitere europäische Mittelmacht das Vetoprivileg für sich. In einer Zeit, in der der globale Süden mehr Einﬂuss in der UNO fordert, kann die UNO als Ganzes nicht mehr als Instrument des Westens zur Verbreitung seiner Werte weiterbestehen. Die multilaterale Institution, die durch Repräsentation ihrer Macht (erzeugt durch Legitimation und Autorität) Beschlüsse durchsetzen kann, gibt es nicht mehr. Sie wurde Opfer einer neuen Weltordnung. Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass die Menschheit nur durch gemeinsames Handeln aller gerettet werden kann. Und doch scheint der Wunsch nach gemeinsamem Handeln und regelbasierter Ordnung heute sehr naiv. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine fand just zu der Zeit statt, als Russland die Präsident- schaft im UN-Sicherheitsrat innehatte, dem wichtigsten UN-Gremium, dessen Aufgabe es ist, für Sicherheit und Frieden in der Welt zu sorgen. Die UNO wird der zunehmend multipolaren Welt Rechnung tragen müssen. Der Krieg in der Ukraine wird am Ende nicht nur über die Sicherheitsstruktur Europas entscheiden, sondern es geht auch um das künftige Verhältnis zwischen den Nuklearmächten USA, China und Russland. Gemäß Münchrath geht es um die Frage, ob die Weltgemeinschaft eine Weltordnung zu tole- rieren bereit ist, in der eine ebenso revisionistische wie imperialistische Macht mit militärischen Mitteln völkerrechtswidrig Fakten schafft – ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. So gehe es bei den Konferenzen der VN-Vollversammlung letzten Endes auch um die Freiheit von Indern, Brasilianern und Indonesiern, die ebenfalls Interesse an einer starken multilateralen Institution haben, die sich für die territoriale Integrität der Staaten einsetzt. Selten waren Europa und die USA so auf die Unterstützung des globalen Südens angewiesen bei der Durchsetzung des Völkerrechts gegenüber einem zunehmend imperialistisch agierenden Russland wie jetzt. Der Westen muss also seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, um überzeu- gend zu sein. So werden in New York dieser Tage grundlegende Reformen bei den Vereinten Nationen ange- mahnt. Deutschland beispielsweise setze sich dafür ein, das „UN-System gerechter, inklusiver und handlungsfähiger zu machen“, erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Dazu gehöre auch eine Reform des UN-Sicherheitsrates, für die sich Deutschland seit Jahren 94

gemeinsam mit Brasilien, Indien und Japan in der sogenannten G4 einsetze.50 Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO (Agenda 2030) Quelle: Wikipedia Während Deutschland auch dafür wirbt, die nachhaltigen Entwicklungsziele ins Zentrum der Vereinten Nationen zu rücken (dazu gehört etwa mehr Ehrgeiz bei der Eindämmung der Klimakrise), kündigt eine Staatengruppe um Russland eine Blockade mehrerer Erklärungen an, die in der Vollversammlung angenommen werden sollen. Dazu zählt ein Text, mit dem die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bekräftigt werden sollten. UN-Generalsekretär António Guterres hatte von einem „Quantensprung“ zur Wiederbelebung der stark in Verzug geratenen Entwicklungsziele gesprochen.51 Das Schreiben unterzeichneten neben Russland auch Belarus, Bolivien, Kuba, Nordkorea, Eri- trea, der Iran, Nicaragua, Syrien, Venezuela und Simbabwe. Die Länder beklagen Sanktionen, denen die Staaten unterlägen und die deren Entwicklung schadeten. Die im Jahr 2015 entworfenen 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG) für die globale Entwicklung, mit denen beispielsweise Bildung verbessert oder Hunger und extreme Armut bis 2030 beendet wer- den sollten, sind durch Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Schuldenkrise in armen Ländern weit weg von ihrem Erreichen. Sollte sich nichts ändern, werden laut UNO 2030 noch immer 575 Millionen Menschen in Armut und mehr als 600 Millionen in Hunger leben. In nur 15% aller formulierten Vorsätze sind die UN auf Kurs. 95

7. Warnung vor dem Ende der Globalisierung (12.10.2023) Quelle: pixabay.com Die Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation) zeigt sich dieser Tage besorgt ob den Entwicklungen beim weltweiten Warenhandel. WTO-Cheﬁn Ngozi Okonjo-Iweala sieht erste Anzeichen einer Fragmentierung des globalen Warenaustauschs. Dieser Trend sei erstens gefährlich und könne sich zweitens am Ende als „sehr kostspielig“ herausstellen. Erst am 5. Oktober wurden die Prognosen für das Wachstum des weltweiten Warenhandels im Jahr 2023 von WTO-Ökonom:innen angesichts des anhaltenden Abschwungs, der im vierten Quartal 2022 begann, gesenkt. Das Volumen des globalen Warenhandels dürfte in diesem Jahr voraussichtlich um 0,8% wachsen, weniger als die Hälfte des im April prognostizierten Anstiegs von 1,7%. Das für 2024 prognostizierte Wachstum von 3,3% bleibt gegenüber der vorherigen Schätzung nahezu unverändert. Im „Global Trade Outlook and Statistics – Update: October 2023“52 geht die WTO darüber hinaus davon aus, dass das reale BIP zu Marktwechselkursen im Jahr 2023 um 2,6% und im Jahr 2024 um 2,5% wachsen wird. 97

Welthandelsvolumen und BIP Wachstum, 2021-2024 Quelle: wto.org Der Welthandel und die Weltproduktion verlangsamten sich im vierten Quartal 2022 abrupt, da die Auswirkungen der anhaltenden Inﬂation und einer strengeren Geldpolitik u.a. in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zu spüren waren und die angespannten Immobilienmärkte in China eine stärkere Erholung nach COVID-19 verhinderten. Zusammen mit den Folgen des Krieges in der Ukraine und aktuell den unvorhersehbaren Auswir- kungen des Krieges in Nahost haben diese Entwicklungen einen Schatten auf die Handelsaus- sichten geworfen. Der Handelsabschwung scheint breit angelegt zu sein und betrifft eine große Anzahl von Ländern und ein breites Warenspektrum, insbesondere jedoch Eisen und Stahl, Büro- und Telekommunikationsgeräte sowie Textilien und Bekleidung. 98

Wachstum des Warenhandels im Jahresvergleich nach Produkten im ersten Halbjahr 2023 Quelle: wto.org Generaldirektorin Okonjo-Iweala bezeichnet die erwartete Verlangsamung des Handels als be- sorgniserregend. Dadurch könne der Lebensstandard in der ganzen Welt sinken, insbesondere in den armen Ländern. „Die Fragmentierung der Weltwirtschaft würde diese Herausforderungen nur noch verschärfen“, meint sie. In ihren Aussagen spielt die WTO-Cheﬁn auf Trends wie das sogenannte Friendshoring an. Der Begriff bezeichnet die Verlagerung von Unternehmensprozessen in Länder, in denen ähnliche politische und gesellschaftliche Werte geteilt werden. So sucht etwa eine Reihe westlicher Konzerne Alternativen zum Produktionsstandort China. Eine Sorge der Unternehmensleitungen ist etwa, dass bei einem Überfall der Volksrepublik auf Taiwan ähnliche Sanktionen des Westens folgen könnten wie gegen Russland nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine. Okonjo-Iweala sprach auch die Praxis des „Reshorings“ an. Dabei werden Produktionsstätten aus Schwellenländern zurück in die Industriestaaten verlagert. Die Direktorin sprach sich vehement dagegen aus. 99

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Auch der IWF (Internationale Währungsfonds) warnt, dass eine starke Fragmentierung der Weltwirtschaft die globale Wirtschaftsleistung um bis zu 7% verringern könnte. Lange Zeit war die Globalisierung ein wichtiger Katalysator für die Entwicklung vieler Schwellenländer. Dies könnte sich nun stark abschwächen. Ungleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem chinesischen Inlandsmarkt etwa seien ein wichtiger Grund, warum sich seit einiger Zeit ausländische Firmen ein Stück weit aus dem Land zurückzögen. Andere Schwellenländer wie Indien stießen inzwi- schen in diese Lücke vor. Im diesjährigen Welthandelsbericht der WTO werden die Vorteile der Re-Globalisierung – also die Integration von mehr Menschen, Volkswirtschaften und drängenden Themen in den Welthandel und die Stärkung der multilateralen Zusammenarbeit – sowie die Risiken einer Frag- mentierung des multilateralen Handelssystems aufgezeigt. Es zeigt sich, dass sich der Handel als Quelle von Sicherheit und Frieden, als Motor zur Armutsbekämpfung und als entscheidendes Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels erwiesen hat. Die WTO fordert globale Lösungen für die globalen Probleme, also mehr Zusammenarbeit welt- weit, um ein multilaterales Handelssystem unter ihrer Aufsicht wiederzubeleben. 100

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1. Aus für digitale Zentralbankwährungen? (01.12.2022) In den vergangenen Jahren gab es seitens der Zentralbanken weltweit, darunter auch der Fed und EZB, Bemühungen zum Aufbau digitaler Währungen. Einige unserer Newsletter hatten das digitale Zentralbankgeld bereits zum Thema (z.B. zuletzt „Kommt der digitale Dollar?“ vom 17.02.2022, „Zentralbankgeld goes digital“ vom 06.05.2021 oder „Digitaler Euro in Sicht“ vom 08.10.2020). Die aktuelle Krypto-Krise nehmen einige Expert:innen nun jedoch zum Anlass, sich gegen die Einführung einer digitalen Währung auszusprechen. Zuletzt erschütterte die Insolvenz der Handelsplattform FTX die Krypto-Szene und ließ die digitalen Währungen allesamt abstürzen. Sowohl die größte Krypto-Währung Bitcoin als auch Ether hatten vor rund einem Jahr ihre Rekordhochs von fast 69.000 USD bzw. 4.800 USD erreicht. Mittlerweile beträgt der Wert von Bitcoin weniger als 16.000 USD, ein Minus von 75% im Vergleich zum Rekordniveau. Auch Ether kostet aktuell nur noch knapp über 1.000 USD. EU-Finanzkommissarin Maired McGuiness sieht in der Pleite von FTX einen „Weckruf“ und verweist auf die Notwendigkeit von Regulierungen wie das Regelwerk „Markets in Crypto Assets“53 (Mica) von Vertretern des EU-Parlaments und den EU-Mitgliedsstaaten. Der Ruf nach strengerer Regulierung ist nicht neu. Ökonom Kenneth Rogoff weist schon länger darauf hin, dass etwa die US-Regulierungsbehörden zu oft untätig geblieben wären. Besonders das Wachstum privater Kryptowährungen und ihrer zahlreichen Derivate müssten behördlich gelenkt und eingedämmt werden. Angesichts der neusten Entwicklungen in der Krypto-Branche rät Handelsblatt-Korrespondent Frank Wiebe der EZB, sich von dem aus seiner Sicht überﬂüssigen Projekt des digitalen Euro zu verabschieden, da die digitalen Währungen ihre Faszination längst eingebüßt hätten. Er argumentiert, dass sie als Zahlungsmittel nie wirklich Relevanz für legale Geschäfte in funktionierenden Staaten hatten. Als Geldanlage wären sie mit den Skandalen um Stablecoins und die Plattform FTX mit den damit verbundenen Preiseinbrüchen entzaubert. Zudem war die dezentrale Technik der Blockchain immer problematisch, da mit extrem hohem Energieaufwand verbunden und zum Teil schwerfälliger als zentrale Lösungen.54 Die Pläne der Europäischen Zentralbank den digitalen Euro betreffend wären Wiebes Meinung nach zum großen Teil von der Angst getrieben, Kryptowährungen könnten eine nennenswerte Konkurrenz zu staatlichem Geld werden. Als Facebook 2019 Pläne für eine private Währung bekannt gab, erreichte diese Angst ihren Höhepunkt. Von der digitalen Facebook-Währung ist mittlerweile kaum mehr etwas zu hören. Auch die Sorge, man könnte den Anschluss an eine Zukunftstechnologie verpassen, habe sich weitgehend erledigt, so Wiebe. 103

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Tatsächlich ist es um das digitale Zentralbankgeld oder Central Bank Digital Currencies (CBDC) still geworden. Im Jahr 2021 nannte EZB-Präsidentin Christine Lagarde einen Zeitraum von fünf Jahren für die Einführung des digitalen Euros. Im Jahr 2023 sollte der erste Prototyp eingeführt werden. Gemäß EZB wurden im Jahr 2019 in der Eurozone 98 Milliarden Zahlungen im Wert von mehr als 162.000 Milliarden Euro bargeldlos abgewickelt. Eine elektronische Form von Zentralbankgeld könnte von der breiten Bevölkerung wie Bargeld genutzt werden, nur in digitaler Form. Die EZB betont, dass der digitale Euro eine Ergänzung zum Bargeld wäre, kein Ersatz. Gründe für einen digitalen Euro Quelle: https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/report/html/index.en.html (28.11.2022) Auf der EZB-Homepage ist derzeit von einer Untersuchungsphase zu lesen, die zwei Jahre dau- ert und im Oktober 2023 beendet sein wird. Erst danach wird evaluiert werden, ob ein Entwick- lungsprozess gestartet werden wird. 104

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Gründe für einen digitalen Euro Quelle: https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/shared/pdf/Digital_euro_project_timeline.en.pdf (28.11.2022) Die Fed zeigt nach wie vor Zurückhaltung zum Thema digitales Zentralbankgeld. Die US- Amerikaner vertrauen auf ihren Dollar in der gewohnten Form. Zudem gab es immer Skepsis gegenüber den CBDC-Konzepten. Der US-Dollar steht immerhin an der Spitze der Weltwäh- rungsordnung und die Dollar-Hegemonie könnte dadurch bedroht werden. Uneinschätzbar sind die Risken für das Finanzsystem. Macht die Notenbank den Geschäftsban- ken Konkurrenz im Zahlungsverkehr und bei Kundeneinlagen, dann verfügt der private Sektor über Zentralbank-Buchgeld und Geschäftsbanken-Buchgeld. Es würde dann eine Doppelwäh- rung entstehen, die wohl zwingend in eine Wertdifferenz münden würde. 105

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2. Weltbank neu (15.12.2022) Wie der Internationale Währungsfonds wurde die Weltbank 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods gegründet und sollte ursprünglich den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg voranbringen. Heute ist es die Kernaufgabe der Weltbankgruppe, die Armut in der Welt zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern.55 Sowohl Weltbank als auch IWF sollen sich bei der Verleihung von Geld an ﬁnanzschwache Staa- ten ergänzen. Die Weltbank-Gruppe (fünf Organisationen: Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Internationale Entwicklungsorganisation, Internationale Finanz-Corporation, Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur und Internationales Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten) verleiht Mittel für Infrastrukturprojekte vor allem an Schwellen- und Entwicklungsländer. Quelle: https://www.wiwiwiki.net/index.php/Weltbank (13.12.2022) Weltbank und Internationaler Währungsfonds sind in einzigartiger Weise in der Lage, mit vergleichsweise geringen Haushaltsmitteln weltweit wichtige Dinge anzustoßen. Sie sind multila- terale Einrichtungen und die meisten Mitglieder sind westlichen Werten verpﬂichtet. Jedoch zeigen Analysen, dass trotz der multiplen Krisen aus globaler Rezession, hohen Zinsen, Dollarstärke, steigenden Nahrungs- und Energiepreisen, fortdauernder Pandemie und dem sich beschleunigenden Klimawandel die Kreditvergabe durch die Weltbank noch nicht einmal mit dem Wachstum seit 2017 Schritt gehalten hat.56 Im Jahr 2021 ist sie sogar zurückgegangen. Der wichtigste multilaterale Kreditgeber für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ist dringend reformbedürftig. Die Weltbank kann zu einem außerordentlich mächtigen Instrument für nachhaltige Entwicklung und Katastrophenhilfe werden, muss dazu aber seine beträchtliche ﬁnanzielle Kraft efﬁzienter nutzen und die Art und Weise, wie sie mit Kreditnehmerländern umgeht, überdenken.57 Die G20-Regierungen, angeführt von den USA, forderten die Weltbank dazu auf, die Unterstüt- zung für den Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen. Konkret geht es darum, dass ein von der G20 eingesetztes unabhängiges Gremium zur Aktualisierung der Finanzpolitik der Weltbank bis Weihnachten Zeit bekommen hat, einen Fahrplan für operative Reformen zu erstellen. 107

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Eine Umstrukturierung ist nötig. Private Investoren müssen mobilisiert und die eigenen Ressour- cen auf die Erreichung nachhaltiger Entwicklung und anderer globaler Prioritäten ausgerichtet werden. Die Reformen werden jedoch nur dann wirksam sein, wenn die Aktionäre der Weltbank die Gründe aufarbeiten, warum Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zögern, mit ihr zusammenzuarbeiten. Ein Grund dafür ist der langsame Genehmigungs- und Zahlungsprozess. Die Daten58 zeigen, dass die Weltbank im Durchschnitt mehr als zwei Jahre benötigt, um einen Kredit zu bearbeiten, von der Konzeption bis zur ersten Auszahlung der Mittel. Bei komplexen Infrastrukturprojekten kann die Wartezeit noch erheblich länger sein. Obwohl die Weltbank in den letzten zwei Jahrzehnten zaghafte Schritte unternommen hat, um ihren Prozess zu vereinfachen, einschließlich der Straffung neuer ergebnisorientierter Kreditinstrumente und der Genehmigung einiger risikobasierter Projekte durch den Vorstand, waren die Ergebnisse dürftig. Die Weltbank hat ihren Auszahlungszeitplan zwischen 2013 und 2017 kaum verbessert. Chakrabart und Humphrey sehen gemäß ihrem Artikel auf Project Syndicate59 das Haupthin- dernis für tiefgreifende Reformen in der dysfunktionalen Unternehmensführung der Weltbank. Eine kleine Gruppe von Nicht-Kreditnehmerländern, angeführt von den USA, dominiert die Entscheidungsﬁndung. Diese Regierungen betrachten die Bank mittlerweile eher als Problem denn als ein mächtiges Vehikel für nachhaltige Entwicklung. Als die Weltbank versuchte, ihre Schutzpolitik zu reformieren, sorgten die Vorschläge für eine bescheidene Straffung der Schutzmaßnahmen für einen großen Aufschrei unter zivilgesell- schaftlichen Gruppen. Nach vier Jahren endloser Konsultationen und Überarbeitungen wurde 2016 schließlich eher aus Erschöpfung als durch Konsens eine neue Politik verabschiedet. Die Vertreter des US-Kongresses und andere G7-Gesetzgeber hatten, ermutigt von zivilgesellschaft- lichen Gruppen, die Reform, die als Schwächung der Standards angesehen werden könnte, blockiert. In „Rebooting the World Bank“ werden einige kritische Änderungen vorgeschlagen. Zunächst würde eine breitere Anwendung eines risikobasierten Ansatzes bei der Projektüberprüfung die Tätigkeit der Weltbank erheblich beschleunigen. Die Durchführung einheitlicher Schutzmaßnahmenüberprüfungen für mehrere Projekte im selben Land oder Sektor und die stärkere Nutzung starker inländischer Rahmenbedingungen in einigen Kreditnehmerländern könnten die Dinge vereinfachen. Die Übertragung der Kreditgenehmigungsbefugnis auf den Präsidenten der Bank oder sogar regionale Vizepräsidenten könnte zusammen mit einem klaren Rechenschaftsrahmen den Kreditgenehmigungsprozess weiter rationalisieren. In dem Artikel „Die Reform der Weltbank ist überfällig“60 von Lawrence Summers, hält der Autor vier Schritte zur Reform der Weltbank für erforderlich. Erstens braucht die Weltbank ein neues und erweitertes Leitbild, das Nachhaltigkeit und globale öffentliche Güter sowie die Armutsbekämpfung umfasst. Ohne einen globalen Paradigmen- wechsel hin zu nachhaltiger Entwicklung sind hier dauerhafte Erfolge nicht zu erreichen. Die 108

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Mitglieder der Bank sollten eine ﬁnanzielle Vision entwickeln, die auf eine Kreditvergabe von 200 Milliarden USD für das Jahrzehnt 2024 bis 2034 hinausläuft. Zweitens muss die Bank ihr Geschäftsmodell dahingehend überarbeiten, dass es die He- belwirkung ihres Kapitals stärkt. Kreditinstrumente müssen im Hinblick auf Laufzeit und Kreditvergabe-Voraussetzungen überdacht werden. Zudem sollen private Investitionen angeregt werden. Dabei sollte die Idee zur Nutzung der Sondererziehungsrechte (der Reservewährung des IWF) als Kapital zur Entwicklung berücksichtigt werden. Drittens sollte die Weltbank ihr Arbeitstempo beschleunigen. Im Hinblick auf die Zukunft, in der ein Wiederaufbau der Ukraine ganz oben auf der internationalen Agenda steht, muss durch eine Reform gewährleistet werden, dass zugesagte Mittel rasch überwiesen werden können. Viertens sollte die Weltbank angesichts der Dringlichkeit der globalen Probleme eine Kapitaler- höhung um 30 Milliarden USD für eine zusätzliche, stark auf die Energiewende ausgerichtete Kreditvergabe, anstreben. Summers Ideen decken sich grundsätzlich mit den Vorstellungen der US-Finanzministerin Janet Yellen, beinhalten demnach auch nicht Lösungen zum von Chakrabart und Humphrey konstatierten Hauptproblem der Unternehmensführung. Seit IWF-Gründung gilt die Regel, dass die USA das Vorschlagsrecht für den Präsidenten der Weltbank haben und die Westeuropäer den Generaldirektor des IWF nominieren. Eine Wahl gegen den Willen der USA ist unmöglich, weil sie eine Sperrminorität haben. Eine Rückkehr zu einer konsensualen Global Governance sollte diskutiert werden. Gemein ist den verschiedenen Lösungsansätzen freilich der Aufruf nach einer grundlegenden Reform der Weltbank, die das beste Mittel zur Verfügungstellung von Hilfe für die drängendsten Probleme bedürftiger Länder darstellt. 109

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3. Wird 2023 das Jahr des Wasserstoffs? (12.01.2023) Vor mittlerweile zwei Jahrzehnten setzten europäische und japanische Autohersteller Milliarden auf den Traum vom Brennstoffzellen-PKW. Die Hoffnungen auf den sauberen Energieträger, der aus verschiedenen Primärquellen gewonnen werden kann, wurden enttäuscht. Lange wurde Wasserstoff in den USA skeptisch beäugt, die Lobby der Verbrennungsmotoren befeuerte diese Skepsis und die ersten Wasserstoffautos wurden verschrottet. In den USA förderte Ex-Präsident Trump die Öl- und Gasindustrie. Regierungen und Anleger setzen aber nun darauf, dass es dieses Mal anders sein wird. Eine neue Begeisterung für Wasserstoff zeigt sich derzeit vor allem in den USA. Mit dem Antritt Präsident Bidens und dem Ende 2021 verabschiedeten Infrastrukturpaket, das 9,5 Milliarden USD Förderung für Wasserstoffprojekte vorsieht, erhält Wasserstoff 2023 große Unterstützung. Der im Sommer 2022 in den USA verabschiedete „Inﬂation Reduction Act“ (IRA) enthält umfang- reiche Steuerrabatte, die die Produktion von sauberem Wasserstoff subventionieren. Drei USD an Subventionen pro Kilo Wasserstoff werden bei Projekten für grünen Wasserstoff geboten. Die USA verfolgen den ambitionierten Plan, die Produktionskosten bis 2030 von derzeit 3,81 auf 1,0 USD pro Kilo zu reduzieren. Die EU sah sich lange als Vorreiter auf dem Weg zum Wasserstoff, scheint aber nun ins Hintertreffen zu geraten. Kommission und Parlament streiten über das Was und Wie: Wann darf Wasserstoff als „grün“ eingestuft werden, welche Einzelregeln braucht es, was machen die Mitgliedsstaaten, was Brüssel?61 Während in der EU diskutiert wird, wird in den USA gehandelt. Der IRA fördert auch die Pro- duktion des sogenannten „blauen“ Wasserstoffs, der in Dampfreformern aus Erdgas gewonnen wird. Bedingung ist, dass das entstehende Treibhausgas abgeschieden und gespeichert wird.62 Geopolitische und energiewirtschaftliche Entwicklungen rücken den Wasserstoff wieder ins Ram- penlicht. In Schwerindustrien wie der Stahlproduktion wächst das Interesse daran, Wasserstoff als Ersatz für fossile Brennstoffe einzusetzen. Die CO2-Emmissionen würden sinken und die Energiesicherheit würde steigen, weil sich die Abhängigkeit vom Erdgas verringert. Der Gaspreis ist zuletzt wegen der russischen Invasion in die Ukraine dramatisch gestiegen.63 111

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ziert werden kann64, ist ein globaler Wettlauf entstanden. Ungefähr 600 Projekte zur Herstellung von sogenannten „Elektrolyseuren“ wurden angekündigt, etwa jedes zweite in Europa. Nun wird sich zeigen, wie viele Elektrolyseur-Projekte realisiert werden. Für 2023 soll sich der Dschungel unklarer Regeln in Europa lichten, der bislang viele Projekte gebremst hat. Expert:innen der Beratungsﬁrma McKinsey sagen für 2023 die erste globale Wasserstoff-Auktion in Europa und die Einrichtung einer European Hydrogen Bank65 voraus. Gemäß Marktforscher:innen tut sich auch in Asien einiges. China ist derzeit der größte Hersteller von Elektrolyseuren. Es wird erwartet, dass eine weitere Skalierung der Produktion die Kosten bis 2025 um 30% senken wird. Indien hat Maßnahmen angekündigt, um die eigene Industrie für grünen Wasserstoff zu fördern. Dies könnte für westliche Unternehmen, die in Indien Elektrolyseure und Wasserstoff produzieren wollen, attraktiv sein. Den globalen Umsätzen wird ein Anstieg von praktisch null vor einigen Jahren auf 15 Milliar- den USD im Jahr 2023 vorausgesagt. Weiters wird eine erste Genehmigung für ein Projekt für grünen Wasserstoff im Gigawatt-Maßstab erwartet. Die Prognose geht davon aus, dass die Elektrolyseur-Verkäufe von aktuell einem Gigawatt auf 2,4 bis 3,8 Gigawatt steigen werden, hauptsächlich in Asien. Vorausgesagt wird aber auch, dass die USA mehr Wasserstoff-Projekte anlocken werde als Europa. Bis 2030 könnten die Gesamtinvestitionen möglicherweise eine Summe von 100 Milliarden USD erreichen. Der globale Wettstreit wird sicher noch intensiver werden. Staatliche Gelder werden den Wasserstoff in den USA erheblich voranbringen. Genauso wichtig wie Subventionen und Steuerrabatte seien für den Umbau Bildung und Forschung, mahnen US-Politiker. In Los Alamos zum Beispiel, dem Ort, den Oppenheimer als Standort für das Man- hattan Project ausgewählt hatte, beﬁndet sich heute das „Nationale Labor“ der US-Regierung. Die Einrichtung, die über ein Jahresbudget von 2,2 Milliarden USD verfügt, forscht prioritär an Wasserstoff und Brennstoffzellen. Das Labor lizenziert seine Patente an amerikanische Unternehmen und geht Forschungskooperationen ein. Auch europäische Unternehmen sind eingeladen, in den USA in Wasserstoff zu investie- ren. Der Automobilzulieferer Bosch investiert bereits 200 Millionen USD in die Produktion von Brennstoffzellen-Stapeln in South Carolina. Linde Industriegase verdoppelt seine US- Produktionskapazität. Die US-Firma Plug Power eröffnete hingegen im März 2022 am Duisburger Hafen seine Euro- pazentrale und will 2023 den Standort für eine große europäische Produktionsanlage bekannt geben. Der Konzernchef ist überzeugt, dass USA und Europa an einem Strang ziehen müssen um die Konkurrenz aus Fernost abzuhängen. Wie dauerhaft die Begeisterung für Wasserstoff sein wird, wird sich im Jahr 2023 zeigen. Eine globale Rezession könnte auf Kosten neuartiger Technologien gehen. Unternehmen könnten Investitionen kürzen und Investoren risikoscheu werden. Auch die Lieferketten könnten Probleme verursachen. Weiters könnten Regierungen als Reaktion auf den Energieschock möglicherweise eine sichere Versorgung aus schmutzigen Quellen wie Kohle gegenüber klimafreundlichen neuen Technologien bevorzugen. 113

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4. Künstliche Intelligenz in der Wirtschaft (06.02.2023) Quelle: pixabay Künstliche Intelligenz (AI) wird immer häuﬁger in verschiedenen Branchen und Bereichen eingesetzt, einschließlich der Wirtschaft. AI ermöglicht es Unternehmen, Prozesse zu automa- tisieren, Daten schneller und genauer zu analysieren und bessere Entscheidungen zu treffen. Es hilft auch bei der Optimierung von Geschäftsabläufen, was zu einer Efﬁzienzsteigerung und Kosteneinsparungen führen kann. Einige Anwendungen von AI in der Wirtschaft umfassen die Kundendienstautomatisierung, die Vorhersage von Absatzmärkten und die Überwachung von Lieferketten. AI-basierte Chatbots können beispielsweise dabei helfen, Kundenanfragen schneller und efﬁzienter zu beantworten. Machine-Learning-Algorithmen können dazu beitragen, Trends auf Märkten zu erkennen und Prognosen für die Zukunft zu erstellen. Insgesamt hat der Einsatz von AI im Bereich der Wirtschaft das Potenzial, Unternehmen zu transformieren und ihre Leistung zu verbessern. Es ist jedoch wichtig, dass Unternehmen den Einsatz von AI ethisch und verantwortungsvoll gestalten, um negative Auswirkungen auf Beschäftigung und Gesellschaft zu vermeiden. 115

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Die obigen Zeilen wurden von ChatGPT66 (Generative Pretrained Transformer), dem von dem US-amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelten Prototyp eines Chatbots, generiert, nachdem es den Auftrag „Schreibe etwas über den Einsatz von AI im Bereich Wirtschaft“ bekommen hat. Zum Einsatz von ChatGPT selbst im Wirtschaftssektor wird folgender Text entworfen: ChatGPT kann in vielen Bereichen der Wirtschaft eingesetzt werden, um Geschäftsprozesse zu automatisieren und Zeit und Ressourcen zu sparen. Einige Anwendungsgebiete sind: 1. Kundenservice: ChatGPT kann als virtueller Assistent eingesetzt werden, um Kundenan- fragen automatisch zu beantworten und den Kundenservice zu verbessern. 2. Marktforschung: ChatGPT kann verwendet werden, um Umfragen durchzuführen und Da- ten über Kundenpräferenzen und -bedürfnisse zu sammeln. 3. Personalisierte Empfehlungen: ChatGPT kann verwendet werden, um personalisierte Emp- fehlungen für Produkte und Dienstleistungen basierend auf dem Verhalten und den Vorlie- ben eines Kunden zu generieren. 4. Automatisierte Antworten: ChatGPT kann eingesetzt werden, um automatisierte Antworten auf E-Mails, Nachrichten und andere Kommunikationskanäle bereitzustellen, um die Efﬁzi- enz und Geschwindigkeit der Kommunikation zu verbessern. Insgesamt kann ChatGPT Unternehmen helfen, ihre Geschäftsabläufe zu automatisieren, Kosten zu reduzieren und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Der Beginn der künstlichen Intelligenz reicht zwar zurück in die 1950er- Jahre, als Wissen- schaftler:innen die Möglichkeiten von Computerprogrammen erforschten, die menschenähnliche Aufgaben ausführen konnten. Tatsächlich läuft die AI-Revolution aber anders als erwartet. Ersetzt werden nicht einfache manuelle Tätigkeiten, sondern jene, in denen es um Wissen, Sprache und Kreativität geht.67 ChatGPT zum Beispiel ist ein fortgeschrittenes NLP-Modell, das auf großen Datenmengen trainiert wurde um menschenähnliche Konversationen zu führen. Die Genauigkeit ist deutlich höher als bei den bisherigen AI-Tools und Chatbot-Systemen, vor allem was die Sprachqualität betrifft. Es ist in vielen Sprachen verwendbar, die Flexibilität ist sehr hoch und es generiert natürliche Sprach-Outputs, anstatt nur trainierte Antworten zu geben. Fragen von Kund:innen beantworten oder Programmcodes auf Fehler überprüfen, können vergleichbare Programme bereits. Eine neue Generation von Systemen, die „Imagen“, „Dall-E“, „Lamda“ oder eben „ChatGPT“ heißen, werden nun jedoch auf nie dagewesene Weise schöpfe- risch tätig. Die Arbeitswelt von Journalist:innen, Marketing-Expert:innen, Künstler:innen und sogar Schü- ler:innen wird sich zum Beispiel durch computergenerierte Texte zu jeglichen Themen, personalisierte Werbestrategien für Unternehmen, künstlich komponierte Musikstücke und mit verschiedensten Techniken gemalte Bilder erheblich verändern. ChatGPT erzielte das stärkste Wachstum einer Software jemals und hat mittlerweile über 100 Millionen Nutzer:innen im Monat. Durch die öffentliche Zugänglichkeit löste das aktuelle Tool des 116

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Unternehmens OpenAI breit geführte Diskussionen rund um den Einsatz von Künstlicher Intelli- genz aus. Im Fokus steht dabei der Teilbereich der generativen AI, der selbständig synthetische Datenauszüge aus einer gigantischen Datenbank und perspektivisch auch aus dem Internet erzeugen kann.68 Die Einsatzmöglichkeiten von derartiger AI sind mannigfaltig. Es ist davon auszugehen, dass der Einsatz von ChatGPT und ähnlicher Systeme auch im Finanzsektor erhebliche Erleichterungen und Einspareffekte generieren werden, wie ChatGPT es ja auch selbst prognostiziert (siehe oben). Natürlich gibt es auch einige Nachteile von AI-Systemen. Neben dem Fehlen aktueller Daten in der Datenbank erfordern komplexe und fortschrittliche Modelle erhebliche Ressourcen und Rechenleistung. Aufgrund der großen Datenmengen kann es Probleme bei Datenschutz- und Datensicherheit geben. Die AI-Systeme sind rein textbasiert und können nicht auf Körpersprache oder nonverbale Signale einer Person reagieren. Aufgrund der Eingabeinformationen kann es ein Bias enthalten – es ist somit wichtig, dafür zu sorgen, dass die Trainingsdaten divers und repräsentativ sind, um eine mögliche Verzerrung zu vermeiden. Nach dem Motto „garbage in, garbage out“ ergeben falsche oder unpräzise Fragen auch falsche Antworten.69 Innerhalb der Finanzbranche sieht ﬁnanzen.net folgende Einsatzmöglichkeiten von Chat-GPT und vergleichbaren Systemen: • Finanzdatenanalyse: ChatGPT kann große Mengen an Finanzdaten analysieren und Pro- gnosen über künftige Kursentwicklungen von Aktien, Währungen und anderen Finanzin- strumenten treffen. • Automatisierte Handelssysteme: ChatGPT kann verwendet werden, um automatisierte Handelssysteme zu entwickeln, die auf natürlicher Sprachverarbeitung basieren und so- mit in der Lage sind, große Mengen an Finanzdaten zu verarbeiten und Entscheidungen schneller und genauer zu treffen. • Finanzberichte und Nachrichten generieren: ChatGPT ist in der Lage Finanzberichte und Nachrichten schnell zu generieren und zu analysieren. Es kann auch verwendet werden, um die Stimmung in sozialen Medien zu analysieren und zukünftige Entwicklungen vorher- zusagen. • Kundenservice: Man kann einen hervorragenden Chatbot für den Kundenservice entwi- ckeln, der in der Lage ist, Fragen von Kunden schneller und präziser zu beantworten und Probleme zu lösen. • Finanzberatung: ChatGPT kann genutzt werden, um einen virtuellen Finanzberater zu ent- wickeln, der in der Lage ist, individuelle Finanzempfehlungen zu geben und Anlagestrate- gien zu entwickeln. Langfristig könnte der Einsatz von AI zum Personalabbau und Einsatz von speziell geschulten Mitarbeitern in der Finanzbranche führen. Durch die ständige Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenzsysteme werden weitere Anwendungsbereiche in der Finanzbranche, in der Wirtschaft und in anderen Bereichen entstehen. Analyst:innen vom Marktforscher Gartner70 gehen davon aus, dass es kaum eine Branche gibt, in der sich die Arbeitsprozesse durch diese Technologie nicht verändern werden. Sie gehen 117

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davon aus, dass bis 2025 mehr als 30% der neuen Medikamente und Materialien systematisch mithilfe generativer AI-Techniken entdeckt werden. In der Entwicklung von AI-Systemen ist die USA mit dem Softwarekonzern Microsoft, Google und dem Facebook-Konzern Meta weit vorne im Wettrennen um die Führung bei Künstlicher Intelligenz. Europa spielt dabei kaum eine Rolle. Nur ein deutsches Unternehmen kann sich mit der Welt- spitze messen: Aleph Alpha aus Heidelberg. Das Team hat ein AI-Modell namens „Luminous“ entwickelt, das in der Lage ist, Bild und Text zu kombinieren um zum Beispiel das auf Fotos Dargestellte zu beschreiben. Unternehmen aus China hingegen sind sehr aktiv bei der Entwicklung von KI-Technologien. Der Meta-Rivale Tencent hat unter dem Namen „GFP-GAN“ ein eigenes Modell veröffentlicht, das System von Google-Rivale Baidu wird „Ernie-ViLG“ genannt.71 Der Vorreiter ChatGPT soll zukünftig eine kostenpﬂichtige Premiumversion bekommen, für die auch neue Funktionen verfügbar sein werden. Das Basisprogramm ist durch die kostenlose Nut- zung oft wegen Überlastung nicht verfügbar. 118

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5. Hat Bretton Woods ausgedient? (16.02.2023) Quelle: pixabay In seinem Artikel vom 10. Februar 2023 auf der Website der Non-Proft-Organisation „Project Syndicate“ schreibt Ökonom und Forschungsdirektor der African Export-Import Bank Hippolyt Fofack über die Notwendigkeit der Dekolonialisierung des globalen Finanzwesens durch die Einführung eines modernen Reservesystems.72 In den 1940er Jahren, als das Bretton-Woods-System entstand, wurden damit die Interessen der damals führenden Industriemächte der Welt gewahrt. Imperiale Mächte beherrschten 1944 noch den größten Teil des globalen Südens. Obwohl das Bretton-Woods-System gelegentlich angepasst wurde um der zunehmenden Globalisierung und Abhängigkeit der Länder untereinander Rechnung zu tragen, verstärkte es doch Schwankungen des Konjunkturzyklus und behinderte den Aufholprozess ärmerer Länder. Es hielt die Dichotomie von Industrie- und Entwicklungsländern aufrecht, so Fofack. Seiner Meinung nach sind umfassende Reformen nötig, um im Zeitalter der Multipolarität73 und des geopolitischen Wettbewerbs eine tiefere Fragmentierung zu vermeiden. Damit könnten die strukturellen Geburtsfehler des Finanzsystems korrigiert werden. 119

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Ein Beispiel ist Indonesien: Im Jahr 2013 gab es eine Marktpanik nach der Ankündigung der Fed, ihre monatlichen Anleihekäufe zu reduzieren. Die indonesische Rupiah verlor plötzlich mehr als 20% ihres Wertes. Heute gibt es noch viel größere Bedenken, dass eine quantitative Straffung und aggressive Zinserhöhungen massive Kapitalabﬂüsse antreiben und eine neue Welle von Währungsschwankungen und Staatsschuldenkrisen auslösen. Aus diesem Grund legte die indonesische Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati während der indonesischen G20-Präsidentschaft Anfang 2022 den Fokus auf die hohen Kosten, die mit der übermäßigen Abhängigkeit von nur wenigen Reservewährungen verbunden sind und setzte sich für die Abwicklung von Transaktionen in lokaler Währung ein (LCS74). In den 1970er Jahren erfolgten zwei der folgenreichsten Anpassungen des ursprünglichen Bretton-Woods-Systems: der Übergang von festen zu variablen Wechselkursen und die Ausset- zung der Konvertibilität des US-Dollars in Gold. Durch den Wegfall des Goldstandards besserte sich die globale Liquidität, brachte aber eigene Herausforderungen mit sich, denn die Volatilität kurzfristiger Kapitalströme erhöhte sich und nun gab es das Risiko plötzlicher Stopps. In manchen Fällen waren gefährdete Länder dadurch mit starken Währungsabwertungen, eingeschränktem Zugang zu externer Finanzierung, hohen Finanzierungskosten und einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls ihrer Auslandsschulden konfrontiert. Die Dominanz des US-Dollars sorgt dafür, dass etwa 60% der Devisenreserven der Zentralban- ken heute in auf US-Dollar lautenden Instrumenten gehalten werden. Der US-Dollar ist zudem an über 90% der außerbörslichen Transaktionen an den Devisenmärkten beteiligt. Zwischen 2015 und 2020 wurden 80-90% der Exporte großer Schwellenländer in Südostasien in US-Dollar fakturiert. Fofack geht davon aus, dass die Dominanz des US-Dollars bei Handelszahlungen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, als die USA das Produktionszentrum der Welt und größtes Handelsland waren, wirtschaftlich gerechtfertigt war. Mit dem Aufstieg des globalen Südens hat die USA jedoch an Bedeutung verloren. Dies gilt insbesondere angesichts der zunehmenden Verbreitung von Technologien und der wachsenden Rolle von Zwischenprodukten durch globalisierte Wertschöpfungsketten. Für viele Länder ist nun China der größte Handelspartner. Veränderungen in der globalen Handelsdynamik intensivieren daher das Streben nach einer Diversiﬁzierung der Reservewäh- rungen. Die Renditen im zunehmenden bilateralen Handel zwischen einer wachsenden Zahl von Ländern des globalen Südens könnten durch die Verwendung von den jeweiligen lokalen Währungen anstelle des US-Dollars besser skaliert werden. Im Laufe der Zeit haben die strukturellen Ungleichgewichte die makroökonomischen Heraus- forderungen in den Entwicklungsländern verschärft, die Wechselkursrisiken erhöht und die Auswirkungen globaler Schocks verstärkt. Viele Länder werden z.B. durch den Druck auf die Zahlungsbilanzen von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen oder mit hohen Zinsspreads belastet. Die Verwendung von LCS im bilateralen Handel gewinnt jedoch z.B. in Asien an Bedeutung. Die Länder entwickeln institutionelle Vereinbarungen und eine eigene Finanzinfrastruktur. Zwischen 2016 und 2019 schlossen die Zentralbanken von Indonesien, Malaysia, den Philippinen und 120

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Thailand LCS-Vereinbarungen und erteilten Banken Lizenzen, um Konten in lokaler Währung und Hedging-Instrumente anzubieten. Die Verwendung von lokaler Währung hat seither zuge- nommen und die Anfälligkeit dieser Länder für globale Schocks verringert. In Ost- und Südostasien sank der Anteil der in US-Dollar fakturierten Exporte im Jahr 2019 auf rund 80%, verglichen mit 90% Anfang der 2000er bis Mitte der 2010er Jahre. Transaktionen in Schwellenmarktwährungen haben erheblich zugenommen und machen jetzt über 25% des weltweiten Devisenumsatzes aus, gegenüber 7% im Jahr 2001. Dadurch veränderte sich aber auch die Dynamik an den Kapitalmärkten. Der ausländische Besitz von US-Schulden sank von 34% im Jahr 2015 auf weniger als 24% im Jahr 2021, dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten. Fofack meint, dass die Eskalation der Finanzsanktionen diesen Trend und eine weitere „Entdol- larisierung“ beschleunigen wird. Immer mehr Länder proﬁtieren von der Digitalisierung, um ihre Nutzung von LCS für bilaterale Transaktionen auszuweiten und mehr Absicherungsinstrumente zu entwickeln. Der ehemalige US-Finanzminister Jack Lew warnte bereits 2016: „Je mehr wir die Verwendung des Dollars und unseres Finanzsystems von der Einhaltung der US-Außenpolitik abhängig machen, desto größer wird mittelfristig das Risiko einer Migration zu anderen Währun- gen und anderen Finanzsystemen.“ Die Hegemonie des US-Dollars verzerrte auch die Verteilung der internationalen Liquidität. Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wurden zu Hauptlieferanten internationaler Reserven und das Risiko von Liquiditätskrisen wurde fast ausschließlich zu einem Problem für die Entwick- lungsländer im globalen Süden, wo der größte Teil der Nachfrage entsteht. Beispiel Sri Lanka: Das Land hat seine Reserven aufgebraucht und kam mit seinen Schulden in Verzug. Im September 2022 einigte sich seine Regierung mit dem IWF auf ein Darle- hen von 2,9 Milliarden US-Dollar. Gemäß dem ursprünglichen Bretton-Woods-Abkommen sollten alle Handelsungleichgewichte auf der Deﬁzitseite der Zahlungsbilanz gelöst werden (da es keine Überschussbegrenzung gab), und der IWF wurde beauftragt, Länder mit ernst- haften Leistungsbilanzproblemen durch die Durchsetzung von Sparmaßnahmen zu unterstützen. Weiter heißt es im Artikel von Hippolyt Fofack: Aufgrund der hohen Nachfrage nach Dollar- unterstützten Wertpapieren können die USA billiger als sonst Kredite aufnehmen und Deﬁzite machen. Tatsächlich recycelt der Rest der Welt ständig seinen Leistungsbilanzüberschuss und seine überschüssigen Reserven, um Amerikas strukturelles Leistungsbilanzdeﬁzit zu decken. Und anders als im globalen Süden führen US-Deﬁzite (sowohl interne als auch externe) niemals zu Herabstufungen der Kreditwürdigkeit, größeren Spreads und unerschwinglich höheren Kreditkosten und/oder Reﬁnanzierungsrisiken. Auch in der Geldpolitik zeigen sich ähnliche Ungleichgewichte. Entscheidungen systemrele- vanter Zentralbanken haben globale Auswirkungen, insbesondere im Fall einer geldpolitischen Straffung, die durch Währungsabwertung, höhere Importpreise (und damit Inﬂation), steigende Kreditkosten und insgesamt geringere Kreditaufnahme Nachbeben für Entwicklungsländer erzeugen. Freilich gab es Bemühungen, das Problem zu lindern. Eine davon betrifft das Sondererzie- hungsrecht des IWF, das 1969 in Erwartung künftiger Krisen eingeführt wurde. Es sollte Liquiditätsengpässe lindern, verstärkte in der Praxis jedoch die Ungleichheiten, indem die 121

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größten Anteile an fortgeschrittene Volkswirtschaften, die sie nicht benötigten, verteilt wurden. Fofack rechnet vor, dass das Sondererziehungsrecht an die Mitgliedsstaaten im Verhältnis zu ihren Quoten (Stimmanteilen) verteilt werden, die ihrerseits die historischen Ungleichgewichte bei der Erschaffung des Bretton-Woods-Systems widerspiegeln. Daher haben 27 einkommens- schwache Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 611 Millionen weniger Quoten als das Vereinigte Königreich mit einer Bevölkerung von nur 67 Millionen. In Bretton Woods setzte sich 1944 der US-White-Plan gegen den Plan des Engländers John Maynard Keynes durch. Die Engländer waren infolge des Zweiten Weltkriegs in der Schuldner- position und waren an keiner dominanten nationalen Währung interessiert. Selbst nach der Finanzkrise 2008/09 verliefen alle Reformversuche buchstäblich im Sand, obwohl sich die USA in einer ausgeprägten Schuldnerposition befanden. Ein multilaterales Reservesystem, das sich Fortschritte bei der Digitalisierung zunutze macht – einschließlich innovativer Technologien, die Reibungsverluste mildern und die Efﬁzienz grenz- überschreitender machen und Abwicklungsmechanismen erhöhen – könnte dazu beitragen, die strukturellen Ungleichheiten zu überwinden und das Ausmaß globaler makroökonomischer Ungleichgewichte zu verringern (durch Förderung des Gleichgewichts im Welthandel). Es würde auch das internationale Währungssystem sicherer machen und es vom ständigen Mangel an sicheren Vermögenswerten befreien, der zu Kapitalabﬂüssen aus dem globalen Süden führt, oft zu ungünstigen Zeiten. In einer von multiplen Krisen und erhöhten geopolitischen Spannungen und monetärem Wettbewerb gezeichneten Welt muss der Übergang zu dieser Art von System jedoch richtig gemanagt werden. In seinem Artikel geht Fofack auch auf die verschiedenen Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten eines derartigen Wandels ein. Abschließend merkt er an, dass die Welt sich seit 1944 dramatisch verändert hat und ihre Schlüs- selinstitutionen dies widerspiegeln müssen. Die Demokratisierung der Ausgabe von Reservewäh- rungen würde viel dazu beitragen, das Vertrauen in das internationale Finanzsystem wiederher- zustellen. Nach der Dekolonisierungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine globale Initiative zur Dekolonisierung des Systems selbst längst überfällig – insbesondere in einer zunehmend multipolaren Welt. 122

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6. Die Grüne Revolution 2.0 (02.03.2023) Quelle: pixabay Als Grüne Revolution wird der in den 1960er Jahren begonnene Umbruch im Agrarsektor bezeichnet, als moderne Hochleistung- bzw. Hochertragssorten, chemische Düngemittel und Bewässerungstechniken erfolgreich im globalen Süden verbreitet wurden. In den folgenden 30 Jahren verdoppelte sich die Getreideproduktion in dem von Hungersnöten bedrohten Asien. Weizen und Reis wurden billiger, obwohl die Bevölkerung in dieser Zeit um 60% zunahm. Die Grüne Revolution brachte auch Folgen mit sich, die bis heute umstritten sind. Einerseits verbesserte sich die Ernährungssituation vieler Menschen erheblich, doch verzeichnen etliche Länder gravierende Umweltschäden. Durch die erhöhte Produktion von Nahrungsmitteln mittels Vergrößerung der Anbauﬂächen, schnellere Staffelung der Ernten und massiven Pestizideinsat- zes wurden Böden geschädigt und Wasserläufe verschmutzt. Viele traditionelle Pﬂanzensorten gingen verloren, Kleinbauern wurden von den industriell bewirtschafteten Flächen verdrängt. Seit ca. 2010 verdeutlichen die in vielen Ländern stattﬁndenden Aufstände wegen Lebensmittel- knappheit, dass die erste Grüne Revolution nur begrenzt nachhaltig war. Bis 2050 werden voraussichtlich 10 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Bei gleichzeitiger Beschleunigung des Klimawandels muss der wachsende Nahrungsmittelbedarf der Weltbevöl- kerung gedeckt werden. 123

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Bisher hatte die Menschheit beim Wettlauf zwischen Bevölkerungswachstum und Lebensmittel- versorgung die Nase vorn. Doch die Hälfte der zwei Milliarden Menschen, die bis 2050 die Erde bevölkern wird, wird im mittleren und südlichen Afrika geboren werden, weitere 30% in Süd- und Südostasien. Genau in diesen Regionen ist mit den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu rechnen: Dürren, Hitzewellen, Extremwetter. Es bedarf also eines neuen agrarwissenschaftlichen Ansatzes, um gegen Lebensmittelknapp- heit, Verteilungsungerechtigkeit und Umweltschädigung vorzugehen. Noch vor 10 Jahren standen lediglich zwei Konzepte zur Diskussion: Zum einen die Hightech-Variante in der Tradition des US-Agrarwissenschaftlers und Friedensno- belpreisträgers Norman Borlaug75, erweitert um moderne genetische Verfahren. Zum anderen eine Landwirtschaft, die auf ökologische Zusammenhänge setzt und die auf die Millionen von Kleinbauern weltweit abgestimmt ist.76 Neben Hochertragssorten haben Agrarwissenschaftler im Laufe der Zeit an neuen Ansätzen wie integriertem Pﬂanzenschutz, Nährstoffmanagement, Biofortiﬁkation und wassersparenden Bewässerungstechnologien gearbeitet. Im Bereich der Pﬂanzenzüchtung fokussiert sich die Wissenschaft heute auf marginale Standorte. So wurden etwa 2010 ﬂuttolerante Reissorten getestet, die bis zu zwei Wochen unter Wasser überleben können. In Subsahara-Afrika wurden bereits mehr als 50 trockentolerante Maissorten entwickelt, deren Erträge 20-50% über denen anderer Sorten unter Dürrebedingungen liegen. Gegenmodell zur industrialisierten Landwirtschaft mit Fokus auf die Versorgung von Städten und dem Export ist die von Wissenschaftlern wie Felix zu Löwenstein oder Hans-Heinrich Bass ge- forderte „Grüne Renaissance“ mit ökologisch verträglicher, kleinbäuerlicher Landwirtschaft und dem Fokus auf Ernährungssicherung.77 Heute könnte die Entwicklung von Robotik und künstlicher Intelligenz dazu beitragen, eine noch grünere Grüne Revolution einzuleiten. Bereits jetzt ernten Roboter Pﬂanzen, jäten Unkraut und sammeln Daten, um die Bodenbewirt- schaftung zu verbessern. Der peruanische Ökonom Maximo Torero geht davon aus, dass Roboter auf den landwirtschaft- lichen Nutzﬂächen und in den Gewächshäusern der Landwirte ebenso alltäglich sein werden wie in medizinischen Labors oder in Lagerhäusern von Online-Versandunternehmen.78 Die Hoffnung liegt darin, dass Künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen kann, die Lebensmittel- und Klimaziele zu erreichen, indem sie der Landwirtschaft mehr Präzision verleiht und den Landwirten ermöglicht, mehr anzubauen und weniger zu verschwenden. KI-gestützte Programme kombinieren Daten zu Wettermustern, Ernteerträgen und Marktpreisen, um Landwirte hinsichtlich der besten Pﬂanzzeit, der genauen Menge an Düngemitteln und des Erntezeitpunkts für die höchste Reife zu beraten. So werden etwa in den Niederlanden bereits Gurken mit Hilfe von Algorithmen angebaut, um Erträge zu steigern und natürliche Ressourcen zu schonen. In Kalifornien, ein US-Bundesstaat, der sehr viel bewässertes Obst und Gemüse anbaut, können derartige Technologien große Einsparungen im saisonalen Arbeitskräftebedarf bringen. Der „grape-gobbling robot“ beispielsweise kann zwei Tonnen Trauben in 12 Minuten sortieren und 124

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15 menschliche Arbeiter ersetzen sowie den Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Wasser reduzieren und gleichzeitig höhere Erträge erzielen. Die Mechanisierung der vergangenen Jahrzehnte erhöhte die Abhängigkeit der Produzenten von fossilen Brennstoffen und den Einsatz von Chemikalien. Zudem hatten Kleinbauern, insbesondere in ärmeren Ländern, keinen Zugang zu schweren Maschinen, was zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führte. Durch digitale Technologien kann sich das ändern. Mittels GPS-Tracking Geräten und Flottenmanagement-Software können sich auch kleine Produzenten Vermögenswerte tei- len, die für die landwirtschaftliche Mechanisierung erforderlich sind. Die Unternehmen TROTRO in Ghana oder Tun Yat in Myanmar etwa ermöglichen es Kleinbau- ern, sich an den Kosten für die Miete eines Traktors zu beteiligen. Ein weiteres Beispiel sind intelligente Halsbänder für Rinder, die Daten über die Gesundheit und Bewegung der Tiere übertragen, die auszugebende Futtermenge bestimmen und den Fütterungsprozess automatisieren, wodurch die Produktivität gesteigert wird. Robotik und KI-basierte Werkzeuge in der Landwirtschaft, von Traktoren bis zu Drohnen, können also ein Gamechanger sein. Dazu bedarf es aber auch der Bereitschaft von Regierungen, in die grundlegende Infrastruktur zu investieren, einschließlich Strom und Breitbandverbindungen in ländlichen Gebieten. Auch Schulungen zu den digitalen Tools sind notwendig. Es wird nicht möglich sein, die Landwirtschaft über Nacht mittels digitaler Technologie zu revolutionieren. Auch wird Technologie allein Lebensmittel weder nachhaltiger liefern noch die Landwirtschaft gerechter oder efﬁzienter gestalten. Robotik und KI sind nach wie vor teuer und vorwiegend von größeren landwirtschaftlichen Betrieben ﬁnanzierbar. Da Roboter Einheit- lichkeit erfordern, um efﬁzient zu funktionieren, ist auch die Gefahr von einer Ausweitung von Monokultur-Systemen gegeben. Roboter sind kein Ersatz für menschliche Landwirte. Um jedoch das volle Potenzial der Zweiten Grünen Revolution auszuschöpfen, gilt es auf alle Fälle, die digitale Technologie einzukalkulieren und sie mit durchdachter Politik und strengen Folgenabschätzungen zu kombinieren. 125

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7. Gesetze für Big Tech: Europa als Vorreiter (16.03.2023) Quelle: pixabay Die größten Gewinner der Digitalisierung, insbesondere US-Plattformen wie Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms (ehemals Facebook) und Microsoft, sollen zukünftig ihre Geschäfte in Europa innerhalb neuer, strengerer Regulierungsrahmen und Gesetze tätigen. Auch während der Corona-Pandemie konnten die Big Tech-Unternehmen Rekordgewinne lukrieren. Sie entscheiden immerhin welche Werbung angesehen wird, weil sie wissen, wonach gesucht wird. Sie produzieren Filme und Serien mit dem Inhalt, der gefällt. Sie verkaufen Smartphones und passende Apps, speichern persönliche Daten und entscheiden, was im Internet zu sehen ist. Die innovativen Entwicklungen am digitalen Markt ermöglichen es, einfach wie nie mit seinen Freunden zu kommunizieren (Whatsapp), Urlaubsfotos zu teilen (z.B. Instagram) oder jedes beliebige Produkt online zu erwerben (Amazon). Auf der anderen Seite zeichnen sich die Schattenseiten digitaler Vernetzung bereits seit vielen Jahren ab. Hassrede und Desinformation sind an der Tagesordnung. Algorithmen grenzen Konversationen auf kleine Gruppen von datenbestimmten „Freunden“ ein, was zu einer Radikali- 127

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sierung von Nutzer:innen in Filterblasen führen kann. Gatekeeper schränken Online-Märkte ein, um selbst davon zu proﬁtieren. Die großen Tech-Unternehmen sind jahrzehntelang weitgehend unbehelligt zu monopolartigen Konzernen aufgestiegen und es gab nur sehr wenige Gesetze, um sie einzuschränken, da sie eine immer größere Kontrolle über die Informationskanäle weltweit erlangt hatten. Mittlerweile gibt es Anstrengungen, das Gleichgewicht in der digitalen Wirtschaft wieder herzustellen. Das Problem des Datenschutzes wurde als erstes in Angriff genommen. Big Tech steigern ihre Einnahmen durch das Sammeln von Benutzerdaten auf Rekordhöhen. Mit der EU- Datenschutzgrundverordnung 2016 wurde das Verständnis von Privatsphäre als Grundrecht verankert. Der Cambridge-Analytica-Skandal, bei dem ein Datenanalyse-Unternehmen in großem Stil Daten über potentielle Wähler sammelte mit dem Ziel, sie durch individuell zugeschnittene Botschaften in ihrem Wählerverhalten zu beeinﬂussen, warf die Frage auf, inwieweit digitale Nut- zer:innen online überwacht, beeinﬂusst und manipuliert werden. Cambridge-Analytica meldete 2018 Insolvenz an, 2020 lag endlich auch der Entwurf des „Digital Services Act“ (DSA) vor. Der DSA ist der zentrale Teil der EU-Gesetzgebung, der regeln soll, wie Inhalte auf großen digitalen Plattformen behandelt werden. Plattformen müssen alle illegalen Inhalte entfernen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Meinungsfreiheit ihrer Nutzer:innen unberührt bleibt. Geplant ist etwa das Verbot von sogenannten „Dark Patterns“, bei denen es um die irreführende Gestaltung von Webseiten geht, durch die Nutzer:innen zum Beispiel zu einem ungewollten Abschluss eines Abonnements verleitet werden sollen. Das Gesetz geht auch darauf ein, wie Plattformen die Nutzer:innen mithilfe von Algorithmen beeinﬂussen. So soll beispielsweise zum Schutz Minderjähriger auf Instagram keine auf deren Interessen zugeschnittene Werbung mehr gespielt werden. Bis Herbst 2023 soll festgelegt werden, welche großen Tech-Unternehmen und Suchmaschinen den DSA-Bestimmungen unterliegen, so die Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kom- mission, Margrethe Vestager.79 Das zweite Gesetz, das das veraltete Regelwerk erneuern soll, dem die Tech-Giganten un- terliegen, ist der „Digital Markets Act“ (DMA) der EU. Es zielt auf den Mangel an gesundem Wettbewerb im Technologiesektor. In den letzten Jahren haben Regulierungsbehörden wichtige Verfahren gegen große Online-Plattformen verfolgt, von denen einige das öffentliche Bewusst- sein für die unangemessene Marktmacht der Plattformen geschärft haben. Die digitalen Märkte sind jedoch wieder komplexer geworden und neue systemische Instrumente werden benötigt, um die üblichen kartellrechtlichen Instrumente zu ergänzen. Der DMA enthält eine Liste von „Dos and Don’ts“, die darauf abzielen, sogenannte Gatekeeper-Plattformen daran zu hindern, ihre Position in digitalen Märkten zu missbrauchen. So werden sie zum Beispiel Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste im Ranking nicht mehr eigene Angebote bevorzugen dürfen. Das Ergebnis soll ein dynamischerer, innovativerer und fairerer Technologiemarkt sein. 128

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Das Gesetz über Digitale Dienste (DSA) wurde am 23. April 2022 vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen. Am 16. November 2022 trat es in Kraft und gilt ab dem 17. Februar 2024 in allen EU-Staaten. Das Gesetz über Digitale Märkte (DMA) wurde am 14. September 2022 angenommen, trat zum 1. November 2022 in Kraft und gilt ab dem 2. Mai 2023. Bis zur konkreten Anwendung sowie Umsetzung der Verpﬂichtungen dauert es also noch. Noch längst sind nicht alle Fragen geklärt. Kritik gegenüber den Tech-Giganten kommt auch aus den USA. Rufe nach einer Zerschlagung Metas häufen sich, weil mit dem Kauf von Instagram und Whatsapp ein Monopol auf Online- Netzwerke geschaffen wurde. Apple hingegen kämpft vor US-Gerichten gegen die Öffnung des App Store für alternative Zahlungsmittel. Die geplanten Maßnahmen, die in den beiden Gesetzen verankert sind, bezeichnen Be- obachter:innen sogar als „Grundgesetz für das Internet“. Der Vorschlag im EU-Parlament, Werbe-Tracking komplett zu verbieten, sorgte für immensen Widerstand, greift es doch das Kerngeschäft der weltweit mächtigsten Unternehmen an. Allein 2020 verdiente Google laut einer Studie des Corporate Europe Observatory (CEO) 147 Milliarden USD mit Werbung. Bei Facebook waren es 84 Milliarden USD. Inzwischen ist ein generelles Verbot vom Tisch, was auf die Bemühungen betroffener Konzerne zurückzuführen sein dürfte. Mehr als 32 Millionen USD geben die zehn größten Tech-Konzerne laut CEO jedes Jahr für Lobbyismus bei EU-Institutionen aus. Die meisten der Unternehmen sind Mitglieder in Industrieverbänden wie der Computer & Communications Industry Association und ﬁnanzieren Thinktanks oder Branchenverbände. So werden ihre Ideen über kleine und mittelständische Unternehmen, Thinktanks und sogar der akademischen Welt präsentiert, ohne dass sie selbst namentlich auftauchen müssen.80 Vestager bezeichnet Europa als „Wiege der technischen Regulierung weltweit“. Tatsächlich werden in anderen Ländern bereits ähnliche Gesetze entworfen. Mit dem 2021 gegründeten „EU-US Trade and Technology Council“ bemüht man sich, die Zusammenarbeit international zu vertiefen. Inzwischen gibt es ähnliche Partnerschaften mit Indien, Japan, Singapur und Südkorea. Das neue Gesetzespaket wird die Big Tech-Unternehmen jedenfalls nicht unbeeindruckt lassen und auch den europäischen Nutzer:innen werden die neuen Regeln bald auffallen. Sie werden hoffentlich in Zukunft für offenere, unabhängigere Räume im Internet sorgen. 129

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8. Handelspolitik neu (13.04.2023) Quelle: pixabay Die US-amerikanische Handelspolitik hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Präsident Donald Trump setzte Maßnahmen wie Sanktionen gegen chinesische Firmen, Zollerhöhungen und Untergrabung des Streitbeilegungsgremiums der Welthandelsorganisation. Unter Präsident Joe Biden wurden Maßnahmen wie diese zu einer Strategie, die darauf abzielt, Amerikas führende Rolle in der Weltwirtschaft wiederherzustellen. Der Wirtschaftswissenschafter Dani Rodrik, Professor für Internationale Politische Ökonomie an der Harvard University, sieht in seinem Artikel „Will New Trade Policies Leave the Developing World Behind?“81 zwei Gründe für die Neuausrichtung der Handelspolitik der USA. Zum einen fühlen die USA ihre nationale Sicherheit durch den technologischen Aufstieg Chinas bedroht und sehen China jetzt als ihren wichtigsten geopolitischen Rivalen. Es gibt bereits weitreichende Einschränkungen der US-Regierung für den Verkauf von modernen Chips und Geräten zur Chipherstellung an chinesische Firmen. Darüber hinaus erwarten die USA, dass andere Länder ebenfalls Chinas Ambitionen vereiteln und internationale Handelsverbindungen dafür opfern. Zum anderen will sich die US-amerikanische Regierung nun auf die wirtschaftlichen, sozia- len und ökologischen Prioritäten im Inland konzentrieren, die jahrzehntelang vernachlässigt wurden. Dazu zählen Förderungsmaßnahmen zur Resilienz, zuverlässigen Lieferketten, guten Arbeitsplätzen und den Übergang zu sauberer Energie. 131

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Ein Beispiel dafür ist der Inﬂation Reduction Act, das wegweisende Klimagesetz der Biden- Regierung. Dabei geht es um Subventionen für saubere Energie in Höhe von 379 Milliarden USD, die US-amerikanische Produzenten begünstigen.82 Viele Regierungen, nicht nur in Europa, waren empört und sehen ihre Positionen geschwächt. In Europa gibt es eine weichere Unilateralität. Das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism) der EU zielt als ein Schlüsselelement des „Fit for 55“-Pakets darauf ab, hohe CO2-Preise innerhalb Europas aufrechtzuerhalten, indem Zölle auf kohlenstofﬁntensive Importe wie Stahl und Aluminium erhoben werden. Dies soll den Europäische Unternehmen, die sich sonst in einem Wettbewerbsnachteil beﬁnden, zum Vorteil gereichen. Aber es erschwert auch Entwicklungsländern wie Indien, Ägypten und Mosambik den Zugang zu den europäischen Märkten. Auch andere Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die sogenannten Entwicklungs- länder, befürchten zunehmend, dass die USA und Europa dem multilateralen Handelsregime den Rücken kehren werden. Sie befürchten dadurch schlechte wirtschaftliche Aussichten und dass sie zu Spielbällen der Großmachtpolitik werden. Der Multilateralismus bleibt in vielen Fällen der einzige Schutz der armen Länder gegen den Solipsismus der Großmächte, so Rodrik. Der Klimawandel ist jedoch eindeutig eine existenzielle Bedrohung für die gesamte Menschheit. Wenn die Politik der USA und Europa die grüne Transformation gelingt, werden auch die ärmeren Länder davon proﬁtieren. Bis dahin sollten sich Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen um Transfers und Finanzierungen bemühen, die es ihnen ermöglichen, ihrem Beispiel zu folgen, so Rodrik. Ein Beispiel dafür wäre, dass diese Länder fordern, dass die EU die Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem an Exporteure in Entwicklungsländern weiterleiten, um die Investitionen dieser Unternehmen in umweltfreundlichere Technologien zu unterstützen. Das wirtschaftliche Wachstum der Entwicklungsländer muss in erster Linie von ihrer eigenen Politik bestimmt werden. Der Zugang zu den westlichen Märkten wird höchstwahrscheinlich nicht verloren gehen. Das exportorientierte Industrialisierungsmodell hat jedoch sowieso an Schwung verloren, un- abhängig von der protektionistischen Politik des globalen Nordens. Rodrik sieht ein Phänomen der „vorzeitigen Deindustrialisierung“: da die heutigen Fertigungstechnologien so qualiﬁkations- und kapitalintensiv sind, ist es für Nachzügler schwierig, den Erfolg ostasiatischer Vorreiter nachzuahmen. Zukünftige Entwicklungsmodelle müssten sich auf Dienstleistungsindustrien und kleine und mittelständische Unternehmen statt auf Industrieexporte stützen, um eine ﬂorierende Mittelschicht aufzubauen. Der erneute Fokus der Industrieländer auf den Aufbau widerstandsfähiger, gerechter Binnenwirt- schaften könnte der Weltwirtschaft auch zugutekommen. Immerhin unterstützen Bündnisse, die zusammenhalten, mit weit größerer Wahrscheinlichkeit die Offenheit für internationalen Handel und internationale Investitionen als solche, die von den ungleichen Kräften der Hyperglobalisie- rung erschüttert werden. Im Jahr 2019 richtete die damalige geschäftsführende Direktorin des Internationalen Wäh- rungsfonds, Christine Lagarde, einen „Brief an die nächste Generation“ und beklagte darin 132

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den Aufstieg der Unilateralität. Sie betonte auch die Vorteile des Abkommens nach 1945. Die derzeitige Präsidentin der Europäischen Zentralbank schrieb damals: „Bretton Woods leitete eine neue Ära der globalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein, in der Länder sich selbst halfen, indem sie sich gegenseitig halfen“. Laut Rodrik ist aber auch das Gegenteil wahr: Jede erfolgreiche globale Regierung, einschließ- lich des Bretton Woods-Systems, muss sich auf die Idee verlassen, dass Länder einander helfen können, indem sie sich selbst helfen. Stabiles und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sollte für die Entwicklungsländer also zuallererst nicht die Frage nach Unterstützung der reichsten Länder der Welt sein, sondern eine Frage der eigenen Möglichkeiten und Aussichten. 133

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9. Rechtsrahmen für den digitalen Euro (29.06.2023) Quelle: pixabay Aktuell wird erneut über die Zukunft des digitalen Euro diskutiert. Die EU-Kommission will in Kürze einen vorläuﬁgen Gesetzesentwurf vorstellen, in dem sie dem digitalen Euro als Ergänzung zum Bargeld den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels verleiht. Drei bis vier Jahre soll es dauern, bis tatsächlich mit dem E-Euro gezahlt werden kann. Die EZB bereitet die Einführung der digitalen Währung schon jahrelang vor. Zuletzt war es jedoch still um das digitale Zentralbankgeld geworden. Die Krypto-Krise nahmen viele Expert:innen zum Anlass, sich gegen die Einführung einer digitalen Währung auszusprechen. Im Jahr 2021 jedoch nannte EZB-Präsidentin Christine Lagarde einen Zeitraum von fünf Jahren für die Einführung des digitalen Euros. Im Jahr 2023 sollte der erste Prototyp eingeführt werden. Gemäß EZB wurden im Jahr 2019 in der Eurozone 98 Milliarden Zahlungen im Wert von mehr als 162.000 Milliarden Euro bargeldlos abgewickelt. Eine elektronische Form von Zentralbankgeld könnte von der breiten Bevölkerung wie Bargeld genutzt werden, nur in digitaler Form. Die EZB betont, dass der digitale Euro eine Ergänzung zum Bargeld wäre, kein Ersatz. 135

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Gründe für einen digitalen Euro Quelle: https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/report/html/index.en.html (27.06.2023) Der digitale Euro gleicht gemäß der EZB dem digitalen Bargeld, das nicht auf einem Bankkonto, sondern in einer digitalen Geldbörse aufbewahrt wird – einer sogenannten Wallet, etwa auf dem Smartphone oder auf einer Karte. Im Prinzip soll der E-Euro eine Art Konkurrenz für Kreditkartenanbieter wie Visa oder Mastercard sowie für Zahlungsdienstleister wie Paypal oder Klarna darstellen. Es gehe darum, die Abhängigkeit von solchen Anbietern zu verringern. Der Unterschied ist: der digitale Euro kommt direkt von der EZB. Das heißt: Giralgeld wird größtenteils von Banken bei der Kreditvergabe erschaffen. Mehr als die Hälfte des Geldes in der Eurozone ist Giralgeld. Tatsächliches Zentralbankgeld ist Bargeld und jene Summen, die zwischen Banken und Notenbanken zirkulieren. Ebenjenes Zentralbankgeld kann nicht vernichtet werden, das andere schon, etwa wenn eine Bank in Konkurs geht. Das Geld ist im schlimmsten Fall weg (abgesehen von bis zu 100.000 Euro Einlagensicherung). Herkömmliche Banken sollen nun als Intermediär dienen, beispielsweise soll über die Banking- App der Hausbank bezahlt werden können. Das System werde nur im Euroraum funktionieren und es werde eine Obergrenze für die Konsumenten geben, das in der Wallet gespeichert werden kann, so Petia Niederländer, Direktorin der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).83 Die Obergrenze in der Wallet dient der Finanzstabilität, um den Nutzern durch Umschichtungen in die Wallet und durch große Liquiditätsabﬂüsse keine Möglichkeit zu bieten, Banken in eine Schieﬂage zu bringen. Im Zusammenhang mit dem digitalen Euro muss sich das Eurosystem mit einigen wichtigen rechtlichen Aspekten befassen, u. a. mit der Rechtsgrundlage für seine Einführung, den Rechtsfolgen verschiedener Gestaltungsmerkmale und der Anwendbarkeit von EU-Recht auf das Eurosystem als Emittent. Die EZB führt dazu Folgendes auf ihrer Website an: 136

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• Die Rechtsgrundlage für die Einführung eines digitalen Euro würde sich nach seiner kon- kreten Gestaltung richten. • Das Primärrecht der EU schließt die Möglichkeit nicht aus, einen digitalen Euro als gesetz- liches Zahlungsmittel einzuführen. Zahlungsempfänger wären demnach verpﬂichtet, ihn als Zahlungsmittel zu akzeptieren. • Bestimmte praktische Maßnahmen rund um die Verteilung der digitalen Währung und den Zugang zu ihr könnten grundsätzlich ausgelagert werden, müssten aber vom Eurosystem streng überwacht werden.84 Der aktuelle Kommissionsentwurf dient nun dazu, einen konkreten gesetzlichen Rahmen für die Einführung des digitalen Euro zu schaffen. 137

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10. Global Health (17.08.2023) Quelle: pixabay Der Begriff Global Health ist vielfach interpretier- und deﬁnierbar. Oft zitiert werden J.Koplan et al. (2009), die Global Health als interdisziplinäres Arbeitsfeld bezeichnen, welches darauf abzielt, die gesundheitliche Situation aller Menschen weltweit zu verbessern und gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern. Arbeitsgruppen zum Thema Global Health wie etwa die der Bundesvertretung der Medizinstu- dierenden in Deutschland, beschreiben Global Health als ein immer wichtiger werdendes Lehr- und Forschungsfeld, welches „die komplexen Zusammenhänge zwischen lokalen, nationalen und internationalen Determinanten der Gesundheit von Individuen und Gesellschaftsgruppen analysiert“.85 Quellen für aktuelle länderübergreifende Daten zur Lebenserwartung, Kindersterblichkeit und Müttersterblichkeit sind etwa die von der Weltbank veröffentlichten World Development Indicators (WDI). Hauptdatenquelle zu den internationalen Gesundheitsangaben ist die Weltgesundheits- organisation (WHO), genauer gesagt die globale Gesundheitsausgabendatenbank. Die Lebenserwartung ist das am häuﬁgsten verwendete Maß zur Beschreibung der Gesundheit der Bevölkerung. Gemäß historischen Daten ist die globale Lebenserwartung in den letzten Jahr- hunderten drastisch gestiegen, mit erheblichen langfristigen Verbesserungen in allen Ländern der Welt. Der jüngste Anstieg der Lebenserwartung in Schwellenländern war besonders wichtig. Dennoch gibt es immer noch große Unterschiede. In mehreren Ländern in Subsahara-Afrika liegt die durchschnittliche Lebenserwartung immer noch unter 60 Jahren, verglichen mit mehr als 80 Jahren in Ländern in Europa oder in Japan. 139

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Quelle: Our World in Data.https://ourworldindata.org/health-meta (15.08.2023) Quelle: Our World in Data.https://ourworldindata.org/health-meta (15.08.2023) Historische Rückgänge der Kinder- und Müttersterblichkeit waren entscheidend für die Verbes- serung der Lebenserwartung auf der ganzen Welt. Aber auch bei diesen beiden Maßstäben der Gesundheit bestehen weiterhin große Ungleichheiten. In Ländern mit niedrigem Einkommen ist 140

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Quelle: Our World in Data.https://ourworldindata.org/health-meta (15.08.2023) Bei den oben genannten Ergebnissen der Datenanalyse zur Sterblichkeit bleibt die Morbidität durch Krankheit und Behinderung unberücksichtigt. Die Krankheitslast ist ein verwandtes, aber unterschiedliches Maß für Gesundheitsergebnisse das sowohl die Mortalität als auch die Morbidität von Krankheiten berücksichtigt. Die gebräuchlichste Methode zur Messung der Krankheitslast ist die Schätzung der Anzahl „ver- lorener“ Jahre aufgrund eines schlechten Gesundheitszustands, der sogenannte Verlust in „Di- sability Adjusted Life Years“ (DALYs). 142

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Quelle: Our World in Data.https://ourworldindata.org/health-meta (15.08.2023) Die Karte zeigt DALYs pro 100.000 Einwohner. Damit misst es die Verteilung der Belastung durch Mortalität und Morbidität auf der ganzen Welt. Die Raten in den Regionen mit der besten Gesundheit liegen unter 20.000 DALYs pro 100.000 Personen. Im Jahr 2017 war dies in vielen europäischen Ländern der Fall, aber auch in Kanada, Israel, Südkorea, Taiwan, Japan, Kuwait, den Malediven und Australien. In den am schlechtesten gestellten Regionen, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, liegt die Rate bei mehr als 80.000 DALYs pro 100.000. Große Herausforderungen gibt es nach wie vor bei Krankheiten wie HIV/AIDS und Malaria. Ökonomen betrachten Gesundheit oft als eine „Bestandsvariable“, die sich auf das Fehlen von Krankheiten oder Verletzungen bezieht. Daher wird Gesundheit oft als ein individuelles Merkmal angesehen, das mit Erbkrankheiten (z.B. der Genetik) beginnt und sich im Laufe der Zeit als Funktion anderer Faktoren, wie z.B. Umweltbedingungen und medizinische Versorgung, weiterentwickelt. Die großen Kategorien diesbezüglich sind: • Biologie und Genetik (z.B. Erbkrankheiten) • Öffentliche Ordnung und Regulierung (z.B. Impfkampagnen) • Gesundheitsversorgung (z.B. rechtzeitige Behandlung und Diagnose von Krankheiten) • Gewohnheiten (z.B. Rauchen) • Soziale und Umweltfaktoren (z.B. Kriminalitätsbelastung, Umweltverschmutzung) 143

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Eine wachsende Anzahl empirischer Untersuchungen legt nahe, dass Gesundheitsergebnisse auf Makroebene stark von Gesundheitsinvestitionen abhängen. Bereits geringe Investitionen in den Gesundheitssektor wirken sich stark positiv aus. Dies impliziert, dass internationale Ressourcen, die durch Entwicklungshilfe für die Gesundheit bereitgestellt werden, bei geeigneter Verwendung und Verwaltung das Potenzial haben, die globalen Ungleichheiten im Lebensstan- dard signiﬁkant zu verringern. Einer der wichtigsten Inputs für die Gesundheit ist die Gesundheitsfürsorge. Länderübergrei- fende Belege für den Zusammenhang zwischen dem Gesamtverbrauch und der Produktion im Gesundheitswesen sowie den Gesundheitsergebnissen werden in Studien untersucht. Eine gängige Methode zur Messung des nationalen Gesundheitsverbrauchs und der Ge- sundheitsproduktion ist die Schätzung der gesamten Gesundheitsausgaben (normalerweise ausgedrückt als Anteil des Volkseinkommens). Quelle: Our World in Data.https://ourworldindata.org/health-meta (15.08.2023) Diese Visualisierung zeigt den länderübergreifenden Zusammenhang zwischen der Lebenser- wartung bei der Geburt und den Gesundheitsausgaben pro Kopf. Die Graﬁk zeigt das Niveau beider Maßnahmen zu zwei Zeitpunkten im Abstand von etwa einer Generation (1995 bzw. 2014). Die Pfeile verbinden diese beiden Beobachtungen und zeigen so die zeitliche Veränderung beider Maße für alle Länder der Welt. Es zeigt sich, dass Länder mit höheren Gesundheitsausgaben pro Person tendenziell eine höhere Lebenserwartung haben. Im Laufe der Zeit steigt die Lebenserwartung der Bevölkerung, je mehr Länder für die Gesundheit ausgeben. 144

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Die frühesten Daten zur Finanzierung des Gesundheitswesens stammen aus dem späten 19. Jahrhundert – zu dieser Zeit begannen viele europäische Länder mit der ofﬁziellen Einrich- tung von Gesundheitssystemen durch Gesetzgebungsakte. Frankreich, Österreich und Deutschland erhöhten die Krankenversicherung in den Jahren 1920 bis 1960, während Spanien, Portugal und Griechenland dies erst später, in den Jahren 1960 bis 1980 taten. Es gibt jedoch auch Beispiele von Ländern, die erst viel später die Gesundheitsver- sorgung installierten, aber viel schneller ausweiteten. Insbesondere China, Ruanda und Vietnam haben im 21. Jahrhundert Gesundheitsschutzsysteme fast von Grund auf aufgebaut und in nur einem Jahrzehnt fast ﬂächendeckende Abdeckung erreicht. Das zeigt, dass Gesundheitsschutz sehr schnell ausgebaut werden kann. Die Politik hat die Möglichkeit, gesundheitliche Ergebnisse zu beeinﬂussen. Ein Beispiel dazu ist etwa der Affordable Care Act in den USA, eine Gesetzesreform mit dem Ziel, die Zugänglichkeit, Erschwinglichkeit und Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Quelle: Our World in Data.https://ourworldindata.org/health-meta (15.08.2023) Der große Erfolg war zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass der Anteil der nicht versicherten Personen in den USA sehr hoch ist und in den Jahrzehnten erheblichen Ausgabenwachstums praktisch konstant geblieben ist. Die Graﬁk zeigt den Prozentsatz der Personen in den USA ohne Krankenversicherung für den Zeitraum 1963 bis 2015. Zwei deutliche Veränderungen in den Trends, die durch eine lange Zeit bemerkenswerter Stabilität getrennt sind, sind sichtbar: 1965 kam es mit der Einführung von Medicare und Medicaid zu einem starken Rückgang der Zahl der Nichtversicherten, dann über Jahrzehnte hinweg relativ wenig Veränderung und dann mit der Einführung des ACA kam es 2012 zu einem weiteren starken Rückgang. Aufgeschlüsselte Daten zeigen, dass die Bundesstaaten, die beschlossen haben, 145

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11. BRICS plus (31.08.2023) Quelle: pixabay Die G7-Staaten repräsentieren heute noch 45% der globalen Wirtschaftsleistung. Vor 20 Jahren waren es 65%. Es ist nicht zu leugnen, dass es einen neuen Gegenpol zum freiheitlichen Westen gibt. Zur Jahrtausendwende betrug der Anteil der BRICS86-Staaten an der globalen Wirtschaftsleistung (BIP) 7,7%. Nach aktuellem Stand sind es nun schon mehr als ein Viertel. Mit den am letzten BRICS-Gipfel87 neu hinzugekommenen Mitgliedern steigt der Anteil des Staatenbundes am Welt-BIP auf 29,2%. Schon heute leben in den BRICS-Staaten über 40% der Weltbevölkerung. In den kommenden Jahren wird sich das wirtschaftliche Gewicht weiter zugunsten der BRICS- Staaten verschieben, was vor allem am Wachstum Chinas und Indiens liegt. 147

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Quelle: Handelsblatt, IWF Die Zahlen zeigen vom enormen Potential, das sich hinter den Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika verbirgt. Kein Wunder, dass es im Vorfeld zum BRICS- Gipfel 2023 einen regelrechten Ansturm auf den Staatenbund gegeben hat. Fast 40 Staaten hatten Interesse am Beitritt bekundet, 23 Länder hatten sich um eine Mitgliedschaft beworben, darunter auch ökonomisch zukunftsträchtige Staaten wie Indonesien, Thailand oder Vietnam. Den Begriff BRIC hatte der Ökonom Jim O‘Neill 2001 als Angestellter der Großbank Goldman Sachs geprägt. Er beschrieb in einem Aufsatz die vier aufstrebendsten Schwellenländer die seiner Meinung nach 2050 die Weltwirtschaft dominieren würden. Im Jahr 2006 trafen sich erstmals die Außenminister der BRIC-Staaten, 2009 kam es zum ersten Gipfel in Jekaterinburg, Russland. Ziel der Gemeinschaft ist es seither, Wirtschaft und Handel untereinander besser zu koordinieren und zum Beispiel Finanzbehörden an einen neuen Standard anzupassen. In weiterer Folge soll auch eine neue Weltwährung als Gegengewicht zum US-Dollar geschaffen werden. Bisher erweiterten die als BRIC-Staaten bekannten vier Mitglieder 2010 mit Südafrika erstmals ihren Kreis und wurden zu den BRICS-Ländern. Am 1. Januar 2024 will die Staatengemeinschaft zum zweiten Mal in ihrer Geschichte neue Mitglieder aufnehmen: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate. Die Staatengemeinschaft wird dann BRICS plus heißen. Beim BRICS-Gipfel im August 2023 wird eine eindeutige Botschaft in die Welt gesendet: Hier entsteht eine neue geopolitische und vor allem ökonomische Macht als Gegenpol zum Westen. Die sogenannten BRICS Plus kommen auf 29,2% der globalen Wirtschaftsleistung. Gemäß IWF-Prognosen wird Indien in den kommenden Jahren die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein, vor Deutschland und Japan. 148

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Um die vom Westen dominierte Weltordnung neu zu ordnen, bedarf es jedoch mehr als Wirtschaftsleistung. Ideologische Homogenität und allem voran das Beilegen der Konﬂikte der Mitgliedsländer untereinander wären notwendig. Quelle: focus.de Der BRICS-Gipfel in Johannesburg von 22.-24. August 2023 war vor allem aus chinesischer Perspektive von großer strategischer Bedeutung. Der chinesische Botschafter in Südafrika, bezeichnete BRICS als „zentrale Kraft“ bei der „Reform des globalen Regierungssystems“. China treibt die Erweiterung des Staatenbundes tatsächlich seit Jahren voran. Die Volksrepublik konzipierte die New Development Bank als Gegengewicht zur westlich dominierten Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds und treibt Bemühungen voran, endlich ein Gegen- gewicht zum US-Dollar, der nach wie vor der Standard im globalen Finanzsystem ist, zu schaffen. Jedoch verfolgen schon die aktuellen BRICS-Mitglieder unterschiedliche Interessen. Für eine tiefe wirtschaftliche Verﬂechtung haben die Gemeinsamkeiten bislang nicht gereicht. Die west- lichen Mächte USA und EU bleiben für China wesentlich wichtiger als die der BRICS-Partner. Während die Exporte in die USA und die EU in den vergangenen zwölf Monaten weit mehr als eine Billion USD betrugen, beliefen sich die Ausfuhren in die BRICS-Staaten gerade einmal auf 300 Milliarden USD. Zudem will kein BRICS-Staat außer Russland auf gute Beziehungen zu den USA und der EU verzichten. Die Botschaft des indischen Ökonoms Manoj Kewalramani nach dem BRICS-Gipfel etwa lautet: Dem Westen sei angeraten, ob der neuen Mitglieder nicht überzureagieren. Gleich- zeitig soll er anerkennen, dass die Schwellenländer deutlich mehr Mitsprache auf internationaler Ebene erhalten müssen. 149

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12. Indien auf dem Vormarsch? (07.09.2023) Quelle: pixabay Wie in unserem letzten Newsletter vom 31.08.2023 (siehe Seite 147) erwähnt, ist Indien Mitglied der BRICS-Staaten und damit eines jener Länder, das in Union mit der Staatengemeinschaft nun schon mehr als 25% der globalen Wirtschaftsleistung erbringt. Zudem wächst kaum eine Volkswirtschaft derzeit so schnell wie die indische. Das Bruttoin- landsprodukt (BIP) wird nach einer Prognose der OECD im Jahr 2023 um 6% wachsen. Da Deutschland für 2023 eine stagnierende Wirtschaft vorausgesagt wird, soll Indiens Volkswirt- schaft bereits in vier Jahren größer sein als die von Deutschland oder auch Japan. Tatsächlich wird Indien von der internationalen Politik umgarnt. Die gelungene Mondmission, die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der indischen Bevölkerung unter 30 Jahre alt ist und die Bevölkerungszahl seit diesem Jahr größer ist als die Chinas, sind Gründe, warum Indien immer selbstbewusster wird. Die junge Bevölkerung soll das Wirtschaftswachstum antreiben, China und den Westen hingegen erwartet eine Demograﬁekrise. 151

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Quelle: tagesschau.de Die westliche Welt erwartet sich von Indien eine Alternative zu China. Doch der 1,4 Milliarden Einwohner große Staat hat erhebliche Probleme, die Erwartungen zu erfüllen und sich als China-Alternative in Position zu bringen. Der Ökonom Ashoka Mody von der US-Universität Princeton warnt vor massiven Enttäu- schungen in dem Schwellenland, das zum neuen Wachstumsmotor der Weltwirtschaft werden möchte.88 In seinem Buch „India is broken“ schreibt der ehemalige Volkswirt des Internationalen Währungs- fonds (IWF) davon, dass Indien anstatt eines rasanten Aufstiegs eine Jobkrise erlebe. Es gebe zu wenig Arbeit für die große Bevölkerung und im nächsten Jahrzehnt müsste Indien 200 Mil- lionen Jobs schaffen, um dieses Problem zu lösen. Gemäß Mody ein unlösbares Problem. Seiner Expertise nach hat sich Indien historisch auf das BIP-Wachstum konzentriert, allerdings in Bereichen wie der Schwerindustrie und im Finanzsektor, der nicht viele Arbeitsplätze benötigt. Eine arbeitsintensive Fertigungsindustrie wurde nicht aufgebaut, so Mody. In China, Japan oder Südkorea hätte das dem Land aus der Armut geholfen. Es gebe zwar eine große Bauindustrie in Indien, diese Jobs seien jedoch prekär.89 Mody prognostiziert, dass es Indien nicht gelingen wird, von der Verlagerung von Lieferketten aus China in großem Stil zu proﬁtieren, da Indien mit Chinas Produktivität nicht mithalten könne. Die Lücke sei riesig und werde immer größer. Tatsächlich halten sich internationale Konzerne in der Investition immer mehr zurück. Das Volumen der neuen ausländischen Direktinvestitionen ﬁel im vergangenen indischen Fiskaljahr, das Ende März zu Ende ging, um 16% auf 71 Milliarden USD, der erste Rückgang seit einem Jahrzehnt. Trotz der Schwächen bemühen sich beispielsweise deutsche Unternehmen darum, in Indien voran zu kommen. Rund 2000 Unternehmen aus Deutschland sind in Indien aktiv und beschäfti- 152

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gen 500.000 Menschen in Bereichen wie Pharmazie und Chemie sowie Digitaltechnologie und Mikroelektronik. Indien gilt wegen seines hohen Potenzials an gut ausgebildeten Menschen als besonders interessant. Zugang zu guter und sogar exzellenter Bildung sowie zu einem ausreichenden Gesundheitssys- tem hat jedoch allein die privilegierte Schicht. Dem zugrunde liegt das Problem des fehlenden Bildungssystems für die Masse. Wenige gut ausgebildete Lehrer und mangelhafte gesundheitliche Versorgung für Kinder verschärfen die Situation. Indien mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern gibt gerade einmal 3% des BIP für die Gesundheitsversorgung aus, so wenig wie kein anderes Land weltweit. Besonders in ländlichen Gebieten ist das zu spüren. Fehlende medizinische Einrichtungen, unterbesetzte Gesundheits- zentren und mangelnder Zugang zu Medikamenten führte zu einer Zweiklassengesellschaft. Doch auch in den Städten gibt es Probleme. Ein Beispiel dafür ist die schlechte Luftqualität. Besonders die Armen sind dem Smog ausgeliefert, wohnen oft neben brennenden Müllbergen. Jedes dritte Kind in Delhi hat Lungenschäden oder chronisches Asthma. Etwa 60% der Bevölkerung Indiens lebt von weniger als 3,10 USD pro Tag, der mittleren Armutsgrenze der Weltbank. 21%, also mehr als 250 Millionen Menschen, leben von weniger als 2 USD pro Tag. Quelle: handelsblatt.com Auch die positiven Wirtschaftszahlen Indiens sind überschätzt, meint Experte Mody. Indien habe in der Vergangenheit eine Phase des Wachstums erlebt, diese sei aber nun vorbei. Während der Pandemie habe das Land extrem gelitten und das BIP brach dabei ein und erholte sich danach lediglich. Indien scheint viele grundlegende Probleme zu haben. Dazu zählen drohende soziale Brenn- punkte. Junge frustrierte Inder:innen schließen sich verstärkt der hindunationalistischen 153

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13. Die Ökonomie der Frauen (09.11.2023) Quelle: pixabay.com Die Genderökonomie ist ein Forschungsfeld, das feministische Kritik an ökonomischen Theorien übt sowie eigene Theorieansätze in Hinsicht auf Gleichberechtigung erarbeitet. Sie blieb lange wenig beachtet, doch nun erhält die Harvard-Ökonomin Claudia Goldin für ihren historischen Erklärungsansatz zu den Geschlechter-Unterschieden bei der Bezahlung den Wirtschafts- Nobelpreis 2023. Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, der im Gegensatz zu den „klassischen“ Nobel- preisen für Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Friedensbemühungen erst seit 1969 von der Schwedischen Nationalbank verliehen wird, geht erst das dritte Mal an eine Frau und das erste Mal alleine. Mit Blick auf die gesellschaftspolitische Relevanz ist die Verlei- hung an die US-Wissenschafterin wohl eine der wichtigsten wissenschaftlichen Würdigungen der letzten Jahrzehnte. Goldin ist in einer überwiegend männlich dominierten Disziplin tätig und konzentriert ihre Forschung ausschließlich auf Geschlechterrollen. Die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt und insbesondere das geschlechtsspeziﬁsche Lohngefälle werden eben norma- lerweise nur in der feministischen Ökonomie behandelt und in anderen Bereichen vernachlässigt. Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen sinkt zwar seit 1980. Dennoch verdienen Frauen auch heute noch durchschnittlich 13% weniger als Männer. Obwohl gemäß Statistik Frauen häuﬁger einen Schul- oder Universitätsabschluss haben als Männer, ist die 155

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Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen weiterhin deutlich geringer. Während weltweit aktuell 80% der Männer in den Arbeitsmarkt integriert sind, ist es bei Frauen nur die Hälfte. Weiters zeigte Goldin, dass der „Gender Pay Gap“, also der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern, nicht kontinuierlich, sondern nur langsam und punktuell sinkt. Die Wissenschaftlerin wertete dafür über 200 Jahre zurückreichende Daten aus. Systematische Informationen zu Anstellungsverhältnissen oder dem Verdienst von Frauen waren allerdings kaum lückenlos verfügbar. Goldin erhält die Auszeichnung daher auch für ihre akribische Arbeit durch Archive und die Erstellung neuer Datensätze. Die „Detektivin der Ökonomie“, wie sich Goldin selbst nennt, deckte unter anderem auf, dass die meisten Theorien der wirtschaftlichen Entwicklung zwar davon ausgehen, dass Frauen im Zuge wachsender Volkswirtschaften automatisch und reibungslos in den Arbeitsmarkt gezogen werden, diese Annahme jedoch falsch ist. Die weibliche Teilnahme am Arbeitsmarkt folgt über die Zeit hinweg einer U-förmigen Kurve. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt ab, zur Mitte stagnierte sie und erst seit Beginn des 20. Jahr- hunderts wächst sie wieder. Sie wuchs also nicht automatisch mit mehr Wirtschaftswachstum, sondern nahm im Zuge des wirtschaftlichen Wandels von der Landwirtschaft hin zur Industrie ab. Dies lag hauptsächlich an der Herausforderung, insbesondere für verheiratete Frauen, die Kinderbetreuung mit der Fabrikarbeit in Einklang zu bringen. Als der Dienstleistungssektor dominant wurde, nahm die Beschäftigung der Frauen erheblich zu. Weibliche Teilnahme am Arbeitsmarkt, historisch Quelle: https://www.hhs.se (07.11.2023) Das geschlechtsspeziﬁsche Lohngefälle (Frauen verdienen durchschnittlich für jeden US-Dollar, den Männer verdienen, nur 77 Cents) wird in traditionellen Theorien auf eine Vielzahl von Fak- toren zurückgeführt, die vom Ausbildungsniveau bis hin zu unterschiedlichem Ehrgeiz reichen. 156

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Im Jahr 2005 etwa behauptete der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers, Männer seien biologisch besser für Mathematik und Wissenschaft geeignet. Anhand Goldins Untersuchung der Gehaltsunterschiede innerhalb gleicher Berufe zeigt sich, dass die tatsächliche Erklärung viel einfacher ist. Weder kann der nach wie vor bestehende Un- terschied auf das Ausbildungsniveau zurückzuführen sein, da in den reichen Ländern die Frauen die Männer dahingehend bereits überholt haben. Und da die Gehaltslücke auch innerhalb der jeweiligen Berufe vorhanden ist, kann sie auch nicht damit begründet werden, dass Frauen in weniger lukrativen Bereichen stärker vertreten sind. Auch an den kognitiven Fähigkeiten kann es nicht liegen, da die Bezahlung für Männer und Frauen direkt nach ihrem Universitätsabschluss fast identisch ist. Der Grund ist die simple biologische Tatsache der Fortpﬂanzung. Die Lohndifferenz beginnt ein oder zwei Jahre nach der Geburt des ersten Kindes einer Frau. Im Alter von 45 Jahren verdienen Frauen etwa 55% dessen, was Männer bekommen. Dies liegt an Faktoren wie unterbrochene Karrieren oder verringerte Arbeitszeiten, die wiederum auf die Geburt zurückgeführt werden können. Gender Pay Gap nach Geburt des ersten Kindes Quelle: https://workweek.com (07.11.2023) Gemäß Goldins Studien spielen auch die Erwartungen der Frauen über ihre Aussichten eine Rolle. Aufgrund des „Vorbildeffekts“, also der Beispiele ihrer Mütter und Großmütter, haben sie sich in beruﬂicher Hinsicht lange unter Wert verkauft. Erst in den 1970ern begann sich das in den USA zu ändern, als mehr in die Ausbildung von Frauen investiert wurde und sie später im Leben heirateten und Kinder bekamen.90 Goldin zufolge liegt das an einer Reihe von Entwicklungen in den USA zwischen 1963 und 1973. Zum einen das Gesetz zur gleichen Bezahlung, der Fall Roe v. Wade (bei dem das oberste US-Gericht ein Verfassungsrecht auf Abtreibung anerkannte), der wachsende Frauenanteil an Eliteuniversitäten und der Zugang zu oralen Verhütungsmitteln. Die volkswirtschaftlichen Erkenntnisse zeigen, wie wichtig historische Forschung ist, um die heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten verstehen zu können. Selbst über Jahrhunderte hinweg konnte oder wollte man die Probleme und Inefﬁzienzen, die die Märkte aufgrund der Tatsache, dass Frauen einen hohen Preis für die Kindergeburten zahlen, haben, nicht lösen. 157

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In der Fachwelt gab es viel Zustimmung für die Auswahl Goldins, auch deutsche Ökonom:innen sprechen von einem nicht ausgeschöpften wirtschaftlichen Potenzial für Deutschland, das die Gleichstellung von Mann und Frau darstellt. Goldins Forschungen zeigen aber auch die Notwendigkeit, Änderungen in den gesellschaftlichen und sozialen Strukturen anzugehen. Ein Beispiel ist, dass die meisten heterosexuellen Paare die Hausarbeit nicht gleichmäßig aufteilen, weil der männliche Partner meist mehr verdient. Dadurch wird die Gehaltslücke noch weiter vergrößert. Somit sind nicht nur formale, institutionelle Räume ökonomisch relevant, sondern auch die Privatsphäre. Goldin plädiert dafür, dass sich die Ökonomie nicht nur um Finanzmärkte kümmern soll, sondern auch um Heiratsmärkte. Das Schlafzimmer sei nicht weniger relevant als das Konferenzzimmer. Themen, die traditionell auf Frauenzeitschriften beschränkt sind, gehören auch in Wirtschaftsmagazine.91 Im Feminismus geht es bereits seit Langem um die Tatsache, dass Frauen nicht die Freiheit haben, den persönlichen vom beruﬂichen Bereich ihres Lebens trennen zu können. Goldin unterstreicht diesen Punkt. Mit der unentgeltlichen Care-Arbeit, die vorwiegend Frauen leisten, wird die Gesellschaft gestützt. Jene Frauen müssen jedoch, was Einkommen und Unabhängigkeit betrifft, dafür bezahlen. Dies darf von den Volkswirtschaften nicht länger ignoriert werden. Goldin spricht sich demnach dafür aus, das Wirtschaftssystem so zu verändern, dass es ﬂexibler und empathischer wird und somit für Frauen funktioniert. Sie schlägt Informations- und Bildungs- initiativen oder Gesetze vor, die die Barrieren für eine Gleichstellung beseitigen. Außerdem darf sich die Karriereplanung nicht an die Lebensweise früherer Generationen orientieren. 158

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1Gros, Daniel. „The Fiscal Cost of Quantitative Easing”. Project Syndicate. 9.11.2022.https: //www.project-syndicate.org/commentary/central-bank-balance-sheet-losses-qe-interest-rates- by-daniel-gros-2022-11?barrier=accesspay (15.11.2022) 2Blume, Jakob. Mallien, Jan. “Milliardenverluste werden zu Reputationsrisiko für Notenbanken“. Handelsblatt onli-ne. 15.11.2022.https://www.handelsblatt.com/ﬁnanzen/geldpolitik/zinswende- milliardenverluste-werden-zu-reputationsrisiko-fuer-notenbanken/28803042.html (15.11.2022) 3Pandemie-Notfallkaufprogramm der EZB. https://de.wikipedia.org/wiki/Pandemic_Emergency_ Purchase_Programme (15.11.2022) 4https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/app/html/index.en.html (15.11.2022) 5https://ec.europa.eu/info/strategy/recovery-plan-europe_de#nextgenerationeu (15.11.2022) 6 https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2023/01/31/world-economic-outlook-update- january-2023 (31.01.2023) 7Münchrath, Jens. „Die globale Lage insgesamt ist so fragil wie lange nicht“. 20.03.2023.https: //www.handelsblatt.com/ﬁnanzen/banken-versicherungen/banken/kenneth-rogoff-die-globale- lage-insgesamt-ist-so-fragil-wie-lange-nicht-/29039970.html (21.03.2023) 8Atzler, Elisabeth. Blume, Jakob et.al. nanzkrise?“. banken/bankenkrise-stuerzt-die-zinswende-die-welt-in-eine-neue-ﬁnanzkrise-/29039308.html (21.03.2023) in eine neue Fi- https://www.handelsblatt.com/ﬁnanzen/banken-versicherungen/ 20.03.2023. „Stürzt die Zinswende die Welt 9Langzeitstudie „Gallup Engagement Index“, die seit 2001 jährlich erhoben wird. Bis Ende 2022 wurden insgesamt 1500 zufällig ausgewählte Arbeitnehmende ab 18 Jahren telefonisch inter- viewt. 10https://www.n-tv.de/wirtschaft/Beschaeftigte-werden-immer-wechselfreudiger-article24004689. html?xing_share=news (28.03.2023) 11https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2023/04/11/world-economic-outlook-april-2023 (18.04.2023) 12https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/gemeinschaftsdiagnose-rezession-abgesagt- inﬂation-101.html (18.04.2023) 13https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/iwf-prognose-konjunktur-inﬂation-china- deutschland-weltwirtschaft-101.html (18.04.2023) 14Dörner, Astrid. Meiritz, Annett. „Das Zittern vor dem US-Zahlungsausfall – diese konkreten Folgen drohen“. 23.05.2023. Handelsblatt online.https://www.handelsblatt.com/politik/international/usa- das-zittern-vor-dem-us-zahlungsausfall-diese-konkreten-folgen-drohen/29164270.html (23.05.2023) 15https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-05/usa-zahlungsausfall-schuldenobergrenze-joe-biden- kevin-mccarthy (23.05.2023) 16Dörner, Astrid. Meiritz, Annett. „Das Zittern vor dem US-Zahlungsausfall – diese konkreten Folgen drohen“. 23.05.2023. Handelsblatt online.https://www.handelsblatt.com/politik/international/usa- 161

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das-zittern-vor-dem-us-zahlungsausfall-diese-konkreten-folgen-drohen/29164270.html (23.05.2023) 17https://www.bcg.com/publications/2023/global-wealth-report-resetting-the-course (04.07.2023) 18Hansen, Niels-Jakob. Toscani, Frederik. Zhou, Jing. „Europe➫s Inﬂation Outlook Depends on HOw Corporate Proﬁts Absorb Wage Gains“. 26.06.2023.https://www.imf.org/en/Blogs/Articles/ 2023/06/26/europes-inﬂation-outlook-depends-on-how-corporate-proﬁts-absorb-wage-gains (11.07.2023) 19Hansen, Niels-Jakob. Toscani, Frederik. Zhou, Jing. Pandemic and Energy Shock: //www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2023/06/23/Euro-Area-Inﬂation-after-the-Pandemic- and-Energy-Shock-Import-Prices-Proﬁts-and-Wages-534837?cid=bl-com-WPIEA2023131 (11.07.2023) the Import Prices, Proﬁts and Wages. 23.06.2023. https: „Euro Area Inﬂation after 20 https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2023/04/11/world-economic-outlook-april- 2023 (11.07.2023) 21 https://www.imf.org/en/News/Articles/2023/06/15/euro-area-imf-staff-concluding-statement-of- 2023-mission-on-common-policies-for-member-countries (11.07.2023) 22https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2023/07/10/world-economic-outlook-update- july-2023?cid=nl-com-compd-nn072023 (03.08.2023) 23https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2023/07/10/world-economic-outlook-update- july-2023 (12.09.2023) 24https://www.project-syndicate.org/commentary/recession-forecasts-are-wrong-pandemic- recovery-by-koichi-hamada-2023-09 (12.09.2023) 25Als sanfte Landung wird in der Wirtschaft ein mögliches Folgeszenario auf eine konjunkturelle Boom-Phase bezeichnet. Hierbei schwächt sich die Wachstumsrate ab, wird jedoch nicht negativ, es gibt weder signiﬁkante Gewinneinbrüche auf Unternehmerseite noch Entlassungen. https://de. wikipedia.org/wiki/Sanfte_Landung (12.09.2023) 26https://www.allianz.com/content/dam/onemarketing/azcom/Allianz_com/economic-research/ publications/allianz-global-wealth-report/2023/2023-09-26-GlobalWealthReport.pdf (03.10.2023) 27Die Vermögensstudie enthält Angaben zu Geldvermögen und Verschuldung privater Haushalte in 57 Staaten. Diese Länder stehen den Angaben zufolge für 91% der globalen Wirtschaftsleistung und 72% der Weltbevölkerung. Der Versicherer berücksichtigt in der Auswertung Bargeld, Bank- einlagen, Wertpapiere sowie Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionsfonds, nicht jedoch Immobilien. 28https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230926_OTS0056/allianz-global-wealth-report- 2023-geldvermoegen-ging-weltweit-zurueck (03.10.2023) 29Höhler, Gerd: Comeback des Krisenstaats: das griechische Wirtschaftswunder. Rnd.de. https://www.rnd.de/wirtschaft/griechenlands-wirtschaftswunder-in-jeder-krise- 16.08.2023. liegen-chancen-3LTU7SHWGFG7NILCA634VQR75E.html (17.10.2023) 162

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30Reccius, Stefan. „Griechenland vor dem Rating-Comeback“. Boersen-zeitung.de. 15.08.2023. https://www.boersen-zeitung.de/meinung-analyse/griechenland-vor-dem-rating-comeback (17.10.2023) 31Höhler, Gerd. „Griechenlands Comeback“. Salzburger Nachrichten. 16.10.2023. Seite 13. 32Olk, Julian. „Nur minus 0,1 Prozent: Deutsche Wirtschaft schrumpft leicht“. Handels- blatt online 30.10.2023. https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/konjunktur-nur-minus-0- 1-prozent-deutsche-wirtschaft-schrumpft-leicht/29471440.html (31.10.2023) 33Gemäß Nouriel Roubini die größten potentiellen Bedrohungen für die Zukunft der Menscheit. 34Roubini, Nouriel. the world is fa- cing“. 19.01.2023, theguardi-an.com.https://www.theguardian.com/business/2023/jan/19/davos- megathreats-imf-economic-ﬁnancial-challenges? (24.01.2022) „Davos elites need to wake up to „megathreats“ 35Von Buttlar, Horst. „Das war Davos 2023 – in drei Schlüsselsätzen“. 20.01.2023. Capi- tal.de. https://www.capital.de/wirtschaft-politik/das-war-davos-2023---in-drei-schluesselsaetzen- 33119738.html (24.01.2022) 36https://reliefweb.int/report/world/hunger-hotspots-fao-wfp-early-warnings-acute-food-insecurity- october-2022-january-2023-outlook (02.05.2023) 37https://thedocs.worldbank.org/en/doc/40ebbf38f5a6b68bfc11e5273e1405d4-0090012022/ related/Food-Security-Update-LXXXIII-April-20-2023.pdf (02.05.2023) 38https://thedocs.worldbank.org/en/doc/40ebbf38f5a6b68bfc11e5273e1405d4-0090012022/ related/Food-Security-Update-LXXXIII-April-20-2023.pdf (02.05.2023) 39https://thedocs.worldbank.org/en/doc/40ebbf38f5a6b68bfc11e5273e1405d4-0090012022/ related/Food-Security-Update-LXXXIII-April-20-2023.pdf (02.05.2023) 40https://reliefweb.int/report/world/benchmark-world-food-commodity-prices-fall-march-twelfth- month-row-enarruzhit (02.05.2023) 41https://thedocs.worldbank.org/en/doc/40ebbf38f5a6b68bfc11e5273e1405d4-0090012022/ related/Food-Security-Update-LXXXIII-April-20-2023.pdf (02.05.2023) 42https://thedocs.worldbank.org/en/doc/40ebbf38f5a6b68bfc11e5273e1405d4-0090012022/ related/Food-Security-Update-LXXXIII-April-20-2023.pdf (02.05.2023) 43https://reliefweb.int/report/world/hunger-hotspots-fao-wfp-early-warnings-acute-food-insecurity- october-2022-january-2023-outlook (02.05.2023) 44https://www.sipri.org/media/press-release/2023/world-military-expenditure-reaches-new-record- high-european-spending-surges (09.05.2023) 45Militärausgaben beziehen sich auf alle Regierungsausgaben für aktuelle militärische Streitkräfte und Aktivitäten, einschließlich Gehälter und Leistungen, Betriebsausgaben, Waffen- und Ausrüs- tungskäufe, militärischer Bau, Forschung und Entwicklung sowie zentrale Verwaltung, Führung und Unterstützung. Es beinhaltet auch Militärhilfe (in den Militärausgaben des Geberlandes). 46Das SIPRI-Jahrbuch ist ein Kompendium aktueller Informationen und Analysen zu Entwicklungen 163

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in den Bereichen Rüstung, Abrüstung und internationale Sicherheit. 47https://www.sipri.org/media/press-release/2023/states-invest-nuclear-arsenals-geopolitical- relations-deteriorate-new-sipri-yearbook-out-now (13.06.2023) 48https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinte_Nationen (19.09.2023) 49Münchrath, Jens. „Die Vereinten Nationen wirken wie aus der Zeit gefallen“. Handelsblatt on- line. 18.09.2023.https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-die-vereinten- nationen-wirken-wie-aus-der-zeit-gefallen/29397530.html (19.09.2023) 50https://www.tagesspiegel.de/politik/nicht-mehr-zeitgemass-baerbock-dringt-in-new-york-auf- grundlegende-reformen-der-uno-10481362.html (19.09.2023) 51https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/un-generalversammlung-114.html (19.09.2023) 52https://www.wto.org/english/res_e/booksp_e/gtos_updt_oct23_e.pdf (10.10.2023) 53https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ﬁnanzen/eu-kryptomarkt-101.html (28.11.2022) 54Wiebe, Frank. „Die EZB sollte den digitalen Euro stoppen“. Handelsblatt online. 25.11.2022. https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-die-ezb-sollte-den-digitalen- euro-stoppen/28832532.html (28.11.2022) 55https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/weltbank (06.12.2022) 56https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/weltwirtschaft-die-reform-der-weltbank-ist-ueberfaellig/ 28740816.html (06.12.2022) 57Chakrabart, Suma. Humphrey, Chris. „Rebooting the World Bank“. 28.11.2022. Project Syndica- te.https://www.project-syndicate.org/commentary/world-bank-reforms-sustainable-development- by-suma-chakrabarti-and-chris-humphrey-2-2022-11 (06.12.2022) 58https://thedocs.worldbank.org/en/doc/708101514916144314-0290022018/original/ ScorecardOctober2017.pdf (13.12.2022) 59Chakrabart, Suma. Humphrey, Chris. „Rebooting the World Bank“. 28.11.2022. Project Syndica- te.https://www.project-syndicate.org/commentary/world-bank-reforms-sustainable-development- by-suma-chakrabarti-and-chris-humphrey-2-2022-11 (13.12.2022) 60Summers, Lawrence. „Die Reform der Weltbank ist überfällig“. 12.10.2022. Wirtschafts- Woche online. https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/weltwirtschaft-die-reform-der-weltbank-ist- ueberfaellig/28740816.html (13.12.2022) 61Holtermann, Felix: „Wie die USA den Markt für Wasserstoff erobern wollen“. 07.01.2023. Han- delsblatt online.https://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/energie-wie-die-usa- den-markt-fuer-wasserstoff-erobern-wollen/28865636.html (10.01.2022) 62Wasserstoff kann auf verschiedene Arten hergestellt werden. Je nachdem, wie viel CO2 dabei ausgestoßen wird, wird er als grauer, blauer, türkiser oder grüner Wasserstoff bezeichnet. 63Vaitheeswaran, Vijay. „Hydrogen hype is rising again—will this time be different?“ 14.11.2022. World Ahead Ma-gazine 2023. The Economist online. https://www.economist.com/the-world- 164

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ahead/2022/11/14/hydrogen-hype-is-rising-again-will-this-time-be-different (10.01.2022) Über- setzung FOCUS Magazin Verlag GmbH. „Zukunft „grüner Wasserstoff“? Ein Gas steigt auf“. https://www.focus.de/die-welt-2023/ein-gas-steigt-auf_id_180820965.html (10.01.2022) 64Grüner Wasserstoff wird mithilfe von Ökostrom und damit CO2-neutral hergestellt. Dabei wird Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Der Wasserstoff wird dann in das Gasnetz eingespeist oder direkt vor Ort als Energieträger genutzt. Grauer, blauer und türkiser Wasserstoff wird aus fossilem Erdgas gewonnen. 65Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, kündigte die Etablierung der European Hydrogen Bank (Europäische Wasserstoffbank) an, die ein Budget von 3 Milliarden Euro zur Verfügung haben soll. Durch weiteres öffentliches Geld soll das Risiko für Investoren in der Markthochlaufphase minimiert werden. Außerdem soll die Bank dafür sorgen, gewisse Standards beim Wasserstoff einzuhalten. 66https://de.wikipedia.org/wiki/ChatGPT (07.02.2023) 67Kerkmann, Christof. Scheuer, Stephan. „Sam Altman – dieser Mann wird ihr Leben ver- 07.02.2023.https://www.handelsblatt.com/technik/forschung- ändern“. Handelsblatt innovation/chatgpt-sam-altman-dieser-mann-wird-ihr-leben-veraendern/28957638.html (07.02.2023) online. 68S-Hub. „Das würde ChatGPT als Bank mit sich anstellen“. Starﬁnanz blog. 06.02.2023. https: //blog.starﬁnanz.de/chatgpt/ (06.02.2023) 69https://www.ﬁnanzen.net/nachricht/anleihen/einsatzmoeglichkeiten-von-chatgpt-in- ﬁnanzbranche-ist-der-hype-um-chatgpt-berechtigt-12130222 (03.02.2023) 70https://www.celonis.com/analyst-reports/gartner-market-guide-2021 (07.02.2023) 71Kerkmann, Christof. Scheuer, Stephan. „Sam Altman – dieser Mann wird ihr Leben ver- 07.02.2023.https://www.handelsblatt.com/technik/forschung- ändern“. Handelsblatt innovation/chatgpt-sam-altman-dieser-mann-wird-ihr-leben-veraendern/28957638.html (07.02.2023) online. 72Fofack, Hippolyt. „Decolonizing Global Finance“. 10.02.2023. Project Syndicate.https: //www.project-syndicate.org/onpoint/making-global-monetary-system-work-for-global-south- by-hippolyte-fofack-2023-02 (14.02.2023) 73Beim Vorhandensein von mehr als zwei Staaten mit ähnlichen Machtpotentialen, spricht man von Multipolarität. Die Begriffsverwendung ist speziell für die neorealistische Denkschule der Internationalen Beziehungen, in der die Machtverteilung das Kriterium der Strukturbildung ist. 74Local Currency Settlement (LCS) bezeichnet die Abwicklung einer bilateralen Transaktion zwi- schen zwei Ländern, die in der jeweiligen Währung jedes Landes durchgeführt wird, in dem die Abwicklung innerhalb ihrer Gerichts-barkeit erfolgt. 75https://de.wikipedia.org/wiki/Norman_Borlaug (28.02.2023) 76https://www.nationalgeographic.de/umwelt/gentechnik-die-zweite-gruene-revolution (28.02.2023) 77https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_Revolution (28.02.2023) 165

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78Torero, Maximo. „The Second Green Revolution Will Be Digitized“. 20.01.2023. Project Syndicate. https://www.eco-business.com/opinion/the-second-green-revolution-will-be-digitised/ (28.02.2023) 79Vestager, Margrethe. „Tearing Down Big Tech‘s Walls“, 09.03.2023. Project Syndicate. https://www.project-syndicate.org/commentary/eu-big-tech-legislation-digital-services-markets- by-margrethe-vestager-2023-03 (14.03.2023) 80https://www.derstandard.at/story/2000133494287/neue-eu-gesetze-fuer-big-tech-worauf-sich- digitalkonzerne-einstellen (14.03.2023) 81Rodrik, Dani. „Will New Trade Policies Leave the Developing World Behind?“. 7.04.2023. Project https://www.project-syndicate.org/commentary/new-rich-country-trade-policies- Syndicate. developing-world-must-shape-own-future-by-dani-rodrik-2023-04?barrier=accesspaylog (11.04.2023) 82Näheres dazu im TradeCom Newsletter „Krisengewinner USA“ vom 19.01.2023. https://www. tradecomag.com/upload/ﬁles/news/krisengewinner-usa.pdf (11.04.2023) 83https://www.derstandard.at/story/3000000176390/der-digitale-euro-r252ckt-n228her (27.06.2023) 84https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/report/html/index.de.html (27.06.2023) 85https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb11/studium/medizin/klinik/spc/spc-global/global-health/ beschreibung (15.08.2023) 86Die BRICS-Staaten sind eine Vereinigung der Staaten Brasilien, Russland, China und Südafrika. Zum 1. Januar 2024 sollen unter dem neuen Namen BRICS plus Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate der Staatengemeinschaft beitreten. 87Der BRICS-Gipfel 2023 von 22.-24. August war der fünfzehnte jährlich stattﬁndende BRICS- Gipfel, eine Konferenz für internationale Beziehungen, an der die Staats- und Regierungschefs der fünf Mitgliedsstaaten teilnehmen: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Der süd- afrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat auch die Staats- und Regierungschefs von 67 Län- dern zu dem Gipfel eingeladen. Darunter 53 andere afrikanische Länder, Bangladesch, Bolivien, Indonesien und Iran. 88https://www.handelsblatt.com/politik/international/robert-habeck-in-neu-delhi-warum-indien- nicht-das-neue-china-wird/29264810.html (05.09.2023) 89https://www.sn.at/politik/weltpolitik/indien-wird-voellig-ueberschaetzt-144311560 (05.09.2023) 90Haldar, Antara. „Women’s Economics“ Goes Mainstream. 31.10.2023. project-syndicate.org. https://www.project-syndicate.org/commentary/claudia-goldin-nobel-prize-mainstreams- womens-economics-by-antara-haldar-2023-10?barrier=accesspay (07.11.2023) 91Haldar, Antara. „Women’s Economics“ Goes Mainstream. 31.10.2023. project-syndicate.org. https://www.project-syndicate.org/commentary/claudia-goldin-nobel-prize-mainstreams- womens-economics-by-antara-haldar-2023-10?barrier=accesspay (07.11.2023) 166